Prävention: Wie verhindern, dass junge Muslime zu Islamisten werden

Stand: 27.08.2024, 06:54 Uhr

Nach dem Messeranschlag in Solingen fordert der Münsteraner Islamprofessor Mouhanad Khorchide schnelle und strikte Konsequenzen.

Von Heike Zafar

Prof. Mouhanad Khorchide ist immer gefragt zu Themen rund um den Islam. Wenn es aber um Katastrophen wie die Messermorde von Solingen geht, kommen besonders viele. Alle wollen wissen, warum junge Muslime im Namen ihres Gottes töten.

Was Islamisten gemeinsam haben

In einem Weiterbildungskurs zum Thema "Islam in der Sozialarbeit" versucht er, in Münster Antworten zu geben. Vier Frauen und acht Männer sind gekommen. Sie sind Imame, Sozialarbeiter, zwei Schleier tragende Frauen sind Islambeauftragte des türkischen Ditib-Verbandes.

Prof. Mouhanad Khorchide | Bildquelle: picture alliance/dpa/Guido Kirchner

An diesem Tag steht das Thema "Radikalisierung" und "Deradikalisierung" auf dem Programm – es ist das Thema, über das das ganze Land gerade spricht. Für Professor Khorchide ist klar:

"Was die Islamisten gemeinsam haben, das ist eine antiwestliche Haltung. Und mit der wird legitimiert, wie gehen wir gegen den Westen vor." Prof. Mouhanad Khorchide

Umso wichtiger sei es, die Freiheiten im Westen, auch die Religionsfreiheit, immer wieder positiv zu benennen und in Erinnerung zu rufen.

Radikalisierung durch Tiktok

Immer mehr sehr junge Leute würden durch Social-Media-Angebote von Predigern auf TikTok und Co. oft in allerkürzester Zeit, meist nur wenigen Wochen radikalisiert. Die schlechteste aller Lösungen wäre es aber wegzuschauen, sagt Khorchide.

"Die Islamisten berufen sie sich auf die Religion." Deshalb sei es wichtig, dass die muslimische Community sie nicht ignoriert und sich nicht darauf beruft, dass es eine verschwindent kleine Minderheit sei. "Auf die Quantität kommt es ja nicht an. Das, was sie anrichten, ist viel und macht uns allen - auch den Muslimen - Angst."

Hier in dem Kurs erfahren die Teilnehmer, wie die Propaganda der Islamisten funktioniert, wer und welche Organisation dahintersteckt.

Welche Rolle Diskriminierung spielt

Hisham Habibi ist Sozialarbeiter in Köln und sagt: "Islamisten bauen immer auf der Erzählung, dass sie diskriminiert und verfolgt werden." Tatsächlich sei Diskriminierung ein großes Thema. Zwar nicht das Einzige, aber doch ein wichtiger Grund für Radikalisierung. "Bildung, und immer wieder Bildung sei wichtig, um der plumpen Propaganda im Netz etwas entgegenzusetzen", meint er.

Auch Daniel Arnolds, Sozialarbeiter in Dortmund und einziger "Nicht-Muslim" in diesem Kurs, beteuert, er habe viel für seine Präventionsarbeit gelernt. Auf der anderen Seite ist er heilfroh, dass bei seiner Klientel, sogenannten  "Umas" – unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge – bislang keine Radikalisierung stattgefunden habe.

Muslimische Gemeinden sollen sich neu erfinden

Aus Sicht von Prof. Mouhanad Khorchide sind jetzt neben der Politik auch die muslimischen Gemeinden verstärkt gefragt: Die Muslime hätten einerseits enorme Angst, jetzt mit Attentätern in einen Topf geworfen zu werden, so seine Erfahrung. Andererseits sollten sie sich klar von den extremistischen Taten distanzieren.

"Es fehlen Alternativangebote zu islamistischer Propaganda auf Social-Media-Kanälen. Die Moscheegemeinden müssen sich neu erfinden, neu definieren und einen weltoffenen Islam verbreiten".  Prof. Mouhanad Khorchide

Gemeinsam mit seinen Seminarteilnehmern entwickelt er derzeit eine Gegenplattform zu den islamistischen und salafistischen, radikalen Angeboten im Netz. "Muslime aktiv" ist der derzeitige Arbeitstitel. Damit wollen Khorchide und seine Kollegen etwas für einen weltoffenen Islam tun.

Über dieses Thema berichteten wir auch im Radio auf WDR2 in der Lokalzeit Münsterland.

Unsere Quellen:

  • Prof. Mouhanad Khorchide
  • Teilnehmende des Seminars "Islam in der Sozialarbeit"
  • WDR Reporterin vor Ort