Familie in Menden wochenlang ohne Wasser

Stand: 17.06.2022, 07:22 Uhr

In Menden lebt eine siebenköpfige Familie wochenlang ohne Wasser. Das hatten die Stadtwerke abgestellt, weil der Vermieter keine Rechnungen bezahlte. Eine WDR Recherche bringt Bewegung in den Fall.

Von Claudia Roelvinck

Seit Wochen drehen Asghar Hosseini und seine Frau immer wieder den Wasserhahn in der Küche und im Bad auf. Sie wollen sehen, ob Wasser kommt. Mit etwas Glück läuft ein kleines Rinnsal aus dem Hahn. Dann stellen sie schnell eine Schüssel darunter und fangen so viel Wasser wie möglich auf.

Alltag ohne Wasser: Eine Herausforderung

Die Stadtwerke Menden haben am 4. Mai das Wasser abgestellt. Am Haupthahn unter dem Bürgersteig vorm Haus. Nur, weil er sich nicht ganz schließen lässt, kommt manchmal etwas Wasser. Mit so wenig Druck, dass es ewig dauert, bis der Spülkasten am WC wieder voll ist.

Die Waschmaschine schaltet bei so wenig Wasser auf „Störung“. Die Hosseinis müssen deshalb von Hand waschen. Das dauert jeden Tag zwei Stunden. Denn die Familie hat fünf Kinder und jede Menge schmutzige Wäsche.

Mieter tragen keine Schuld

Dass den Hosseinis das Wasser abgestellt wurde, ist nicht ihre Schuld. Sie sagen, sie haben die Miete und die Nebenkosten regelmäßig bezahlt, unterstützt vom Jobcenter.

Anscheinend zahlte der Vermieter keine Rechnungen | Bildquelle: Claudia Roelvinck

Doch der Hausbesitzer, der im Erdgeschoss wohnt, hat Schulden bei den Stadtwerken. Seit Oktober habe er nicht mehr bezahlt. Auch Angebote zur Ratenzahlung hat er abgelehnt. Als zuletzt der Strom abgestellt werden sollte, hat er seine Tür nicht geöffnet.

Das wollten die Stadtwerke nämlich eigentlich tun. Dann hätten die Hosseinis weiterhin Strom gehabt, bloß der Hauseigentümer nicht. Als letztes Mittel sei dann nur die Wassersperre geblieben, die aber das gesamte Haus betrifft. Die siebenköpfige Familie ist also quasi in „Sippenhaft“.

Familie fühlt sich im Stich gelassen

Vier Wochen lang fühlt sich niemand zuständig, zu helfen. Die Stadtwerke nicht, weil sie keinen Vertrag mit den Hosseinis haben, sondern mit deren Vermieter. Das Sozialamt nicht, weil die Familie ja ein Dach über dem Kopf hat und nicht von Obdachlosigkeit bedroht ist. Das Jobcenter nicht, weil die Mietzahlungen zwar unterstützt, aber nicht selbst Vertragspartner des Hausbesitzers ist. Die Stadt nicht, weil sie wegen der vielen Ukraine-Flüchtlinge sowieso keine freie Wohnung anbieten kann. Unterdessen hat das Jugendamt schon ein Auge auf die Familie geworfen, weil fünf Kinder ohne Wasser nicht gerade unter idealen Bedingungen leben.

Zum Interviewtermin läuft das Wasser wieder

Als der WDR schließlich Auskunft haben möchte, tut sich doch noch etwas. Es gibt Gespräche zwischen der Stadt und den Stadtwerken. An dem Tag, als der WDR mit der Familie zum Interview verabredet ist, stellen die Stadtwerke das Wasser wieder an. "Aus moralischer Pflicht", wie der Prokurist es nennt.

Der Vermieter bekommt mit, wie der Haupthahn wieder aufgedreht wird. Er wird laut auf dem Bürgersteig, wirft den Mietern Undankbarkeit vor und droht ihnen mit einer Kündigung. Außerdem verspricht er den Stadtwerken eine Teilzahlung. Diese leistet er dann aber doch nicht zum angekündigten Termin.

Mittlerweile läuft das Wasser wieder | Bildquelle: Claudia Roelvinck

Die Hosseinis sind froh, dass sie endlich wieder Wasser haben. Trotzdem wollen sie raus aus ihrer Wohnung. Denn die Wassersperre ist nicht das erste Problem im Haus. Die Kinder sollen nicht nochmal in eine solche Situation geraten. Eine Chance auf eine andere Wohnung hat die siebenköpfige Familie aber wohl kaum.

Über dieses Thema berichtet der WDR am 22.06.2022 ab 19:30 Uhr in der WDR Lokalzeit Südwestfalen.