Ausnahmezustand in der Herforder Innenstadt am Samstagnachmittag: Vor dem Bahnhof haben sich knapp 500 Demonstrierende versammelt. Viele von ihnen sind junge Erwachsene und Jugendliche. Ihnen gegenüber stehen mehrere Hundertschaften der Polizei. Die Teilnehmer der Demo fordern Gerechtigkeit für den vor drei Wochen bei einer Verfolgungsjagd mit der Polizei schwer verletzten Bilel G.
Er flüchtete nach Aussage der Polizei nach einer Verkehrskontrolle, bei der er beim Fahren ohne Licht erwischt wurde, und konnte erst in einem Wohngebiet in Bad Salzuflen gestellt werden. Anstatt aufzugeben soll Bilel G. anschließend gewendet haben und auf die Beamten zugerast sein.
So zumindest schildert die Polizei den Vorfall. Doch der glauben die Demonstrierenden in Herford nicht. Für sie ist Bilel G. ein Opfer von Polizeigewalt und systemischem Rassismus. Zum Protest aufgerufen hatte das Bielefelder Bündnis "rise up for justice", doch auch einige radikale Splittergruppen hatten im Vorfeld für den Protestmarsch mobil gemacht. Darunter: Antifa, die Kohlekraft-Gegner von "Ende Gelände" und Islamisten.
Demonstranten werfen Böller und Flaschen
Der Start der Demo ist für 14 Uhr geplant, doch die Teilnehmer kommen nur sehr langsam voran. Eigentlich wollen die Demonstrierenden quer durch die Innenstadt bis vor das Polizeirevier in der Hansastraße ziehen, doch kurz nach der ersten Straßenkreuzung ist erstmal Endstation. Einige Teilnehmer der Demo haben sich vermummt, es fliegen Böller und Flaschen auf die Polizeibeamten.
In der Masse der Demonstrierenden gehen die politischen Forderungen auseinander. Ein Redner fordert eine unabhängige Untersuchungskommission für die Vorgänge in der Tatnacht und sieht den Vorfall in einer Reihe mit weiteren mutmaßlichen Straftaten von Polizisten an Ausländern in Deutschland. Andere Teilnehmer üben hingegen Generalkritik an der Behörde. Sie skandieren: "Ganz Herford hasst die Polizei."
Aufrufe zu Gewalt im Internet
Dass es auf der Demonstration zu Ausschreitungen kommen könnte, war schon im Vorfeld des Protestmarsches deutlich geworden. Im Internet kursierten Aufrufe, Herford "brennen zu lassen" oder Ausnahmezustände wie in Frankreich herbeiführen zu wollen.
Auch um kurz nach 16 Uhr steckt die Demonstration noch immer fest, es fliegen Flaschen und Böller. Als die Versammlungsleiterin die Demonstration auflöst, verlagern sich die Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten in die anliegenden Seitenstraßen. Hier sollen Polizisten unter anderem mit Pflastersteinen und Verkehrsschildern angegriffen worden sein. Einige Personen werden in Gewahrsam genommen. Es seien zudem mehrere Strafverfahren wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet worden, so die Polizei. Vier Personen seien leicht verletzt worden.