Beratungsstelle gegen Antisemitismus geht an den Start

Stand: 16.08.2024, 09:54 Uhr

An der Uni Münster gibt es jetzt eine neue Anlaufstelle für jüdische Studierende. Dort sollen sie Hilfe und Beratung bekommen bei antisemitischen Übergriffen oder Beleidigungen. Es ist die landes- und sogar bundesweit einzige Einrichtung dieser Art an einer Hochschule.

Von Heike Zafar

Die Unis sollen sichere Orte sein. "Es gibt aber jüdische Studierende, die sich in der vorlesungsfreien Zeit nicht auf den Campus trauen", sagt Andreas Stahl, der frisch gebackene Leiter der neuen Anlaufstelle. Im Keller des Gebäudes für Romanistik an der Uni Münster hat er sein neues Büro - mit einer Topfpflanze, weißen Wänden und einem halb-leeren Bücherregal noch etwas kahl, aber das soll sich schnell ändern.

Die Studierenden sollen sich hier wohlfühlen können. Andreas Stahl
Leiter der Anlaufstelle

Anlaufstelle soll Betroffenen helfen

Das heißt, sie sollen vor allem Vertrauen haben, über ihre Ängste zu reden und Vorfälle zu melden. Dann will Andreas Stahl alles tun, den Betroffenen zu helfen – auch auf juristischem Weg.

Andreas Stahl will alles tun, um den Betroffenen zu helfen | Bildquelle: WDR/Heike Zafar

Fälle wie der aus Berlin, bei dem im Februar ein jüdischer Student zusammengeschlagen und schwer verletzt wurde, dürften sich auf keinen Fall wiederholen. An der Uni Münster sei es zum Glück bislang nicht zu antisemitischen Attacken gekommen.

Vorfall bei "Langer Nacht der Bildung"

Aber bei Veranstaltungen wie der "Langen Nacht der Bildung" sollen aber Redner aufgetreten sein, die durch antijüdische Äußerungen aufgefallen seien, Beteiligte sollen beschimpft und bespuckt worden sein. Der AStA hatte sich dafür entschuldigt.

Auffällig ist, dass aus Münster niemand von den jüdischen Studierenden offen über Erfahrungen mit Antisemitismus reden will. Als Vertretung für alle sind Jacob Horowitz und Nicole Pastuhoff aus Düsseldorf zu der Eröffnung der Beratungsstelle gekommen. Beide sind in jüdischen Studierendenverbänden organisiert.

"Grundsätzlich vermeiden die meisten jüdischen Studierenden in der Öffentlichkeit zu sagen, wo sie studieren, weil es ein Sicherheitsrisiko ist, öffentlich bekannt zu geben, wo man sie vorfinden könnte", sagt die Politikstudentin Nicole Pastuhoff.

Antisemitische Übergriffe haben zugenommen

Jacob Horowitz und Nicole Pastuhoff aus Düsseldorf sind zu der Eröffnung gekommen | Bildquelle: WDR/Heike Zafar

Und Jacob Horowitz erzählt, was er als Medizin-Student an der Heinrich Heine Universität in Düsseldorf erlebt hat: "Vor zwei Monaten gab es antisemitische Schmierereien in Seminarräumen." "Happy Holocaust" und "Juden nach Auschwitz" hätte da gestanden. "Das sind Sachen, die mich sehr stark treffen".

Seit dem Massaker der Hamas auf Israel und dem israelischen Gegenschlag auf den Gazastreifen sei die Zahl der antisemitischen Übergriffe insgesamt deutlich gestiegen, sagt Jörg Rensmann, Leiter der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Nordrhein-Westfalen (RIAS) .

So habe es im vergangenen Jahr 604 antisemitische Vorfälle gegeben, dreieinhalb mal so viele wie im Jahr zuvor. Und auch im Unibereich haben er und seine Kollegen eine enorme Steigerung der gemeldeten antisemitischen Vorfälle registriert: 65 waren es in diesem Jahr, im Jahr davor waren es 19.

Anlaufstelle hat Pilotcharakter

Umso wichtiger sei die neue Anlaufstelle in Münster, sagt Rensmann. Sie könne Pilotcharakter mit Signalwirkung für alle Bundesländer haben, so der Leiter der RIAS. Und auch Jacob Horowitz und Nicole Pastuhoff sind sehr zufrieden. Endlich gebe es eine Stelle "mit einem Berater, der speziell dafür ausgebildet ist", sagen sie. Und ganz besonders wichtig ist ihnen dies: "Wir können ihm vertrauen".

Unsere Quellen:

  • Universität Münster
  • Andreas Stahl, Leiter der neuen Beratungsstelle gegen Antisemitismus
  • Studierende der Universität Münster
  • Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Nordrhein-Westfalen (RIAS)

Über dieses Thema berichtet der WDR am 16.08.2024 auch im Fernsehen in der WDR Lokalzeit Münsterland und im Radio auf WDR 2.