Prozessbeginn wegen Amoklauf an Bielefelder Schule

Stand: 02.12.2022, 11:10 Uhr

Im Sommer hatte ein junger Mann auf dem Berufskolleg-Campus in Bielefeld mit einer Schreckschusswaffe wild um sich geschossen. Am Freitag beginnt am Amtsgericht der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter.

Von Oliver Köhler

Es war der letzte Schultag vor den Sommerferien 2022. Gegen 12 Uhr hielten sich noch knapp 200 Schüler und Lehrer in den Klassenräumen des Berufskollegs auf. Dann fielen plötzlich Schüsse. Ein junger Mann lief durch das Gebäude und zielte mit einer Waffe auf mehrere Personen und drückte ab.

Mit Messer, Dolch und Molotowcocktail bewaffnet

Durch die Anklageverlesung stellte sich jetzt heraus, dass er außerdem zwei Messer, einen Dolch und zehn Molotowcocktails bei sich hatte. Nach einer Viertelstunde war bereits das Spezialeinsatzkommando der Bielefelder Polizei vor Ort. Der Täter flüchtete auf das Dach eines der Gebäude und konnte dort überwältigt werden.

Trotzdem mussten alle Anwesenden Stunden warten, bis sie die Schule verlassen durften. Die Polizei wollte erst sichergehen, dass keine weiteren Täter im Gebäude sind.

Motiv bisher unklar

Warum es zu der Tat kam, konnte bisher nicht beantwortet werden. Der 21-jährige mutmaßliche Täter war nie Schüler am Bielefelder Berufskolleg. Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft hat er im Laufe des Ermittlungsverfahrens zwar gestanden, aber nichts zu seiner Motivation gesagt. Er ist vorläufig in einer psychiatrischen Klinik untergebracht.

Ihm wird nun Störung des öffentlichen Friedens, gefährliche Körperverletzung, Nötigung, Bedrohung und Verstoß gegen das Waffengesetz vorgeworfen. Da er mit seinen 21 Jahren noch Heranwachsender ist, wird vermutlich nach dem Jugendstrafrecht gegen ihn verhandelt. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft. Die Staatsanwaltschaft will ihn aber dauerhaft in einer psychiatrischen Klinik unterbringen.

Schüler bis heute beeinträchtigt

Nebenkläger Levin M. im Bielefelder Amokprozess | Bildquelle: Oliver Köhler

Levin M. ist der einzige zugelassene Nebenkläger in dem Verfahren. Der 24-Jährige ist Schüler am Berufskolleg. Am Tattag traf er zufällig auf dem Flur auf den Angeklagten. "Das war ein schlimmer Tag für meinen Mandaten", erzählt sein Rechtsanwalt David Volke im Interview mit dem WDR. "Der Täter zielte mit einer Pistole und schoss aus gut einem Meter Entfernung dreimal. Dabei erlitt mein Mandant einen kompletten Hörverlust."

Heute ist Levin M. schwerhörig und leidet an einem Tinnitus. Auch psychisch sei er immer noch belastet. Er habe sich als Nebenkläger dem Verfahren angeschlossen, weil er etwas zum Motiv der Tat erfahren wolle, erklärt sein Rechtsanwalt.

Öffentlichkeit vom Prozess ausgeschlossen

Gleich nach Verlesung der Anklageschrift stellte der Verteidiger des Angeklagten einen Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit. "Der Gesundheitszustand und die Psyche meines Mandanten werden sich wie ein roter Faden durch die Verhandlung ziehen", begründete Rechtsanwalt Tim Gruner seinen Antrag. "Das geht die Öffentlichkeit nichts an, weil er ein Heranwachsender ist."

Gleichzeitig kündigte der Verteidiger an, dass er im Namen seines Mandanten eine Erklärung abgeben werde. "Das wird in die Richtung eines Geständnisses gehen", hatte er vor der Verhandlung dem WDR gesagt. Das Gericht folgte dem Antrag des Verteidigers und schloss die Öffentlichkeit bis zum Urteil von der Verhandlung aus. Das könnte schon am 6. Dezember gesprochen werden.

Angeklagter mit Gewaltfantasien

Schon zwei Jahre vor der Tat war der 21-Jährige Polizisten im Ausland aufgefallen. Sie waren auf Internetbotschaften des Bielefelders gestoßen. Dort soll er mit Amokläufen gedroht haben.

Zu diesem Zeitpunkt war er bereits in psychiatrischer Behandlung. Seine Betreuer und auch die Polizei in Bielefeld waren aber auch nach den Hinweisen auf seine Videos im Internet zu dem Schluss gekommen, dass von ihm keine konkrete Gefahr ausgehe.

Bis zur Normalität dauerte es Wochen

Etliche Schülerinnen und Schüler leiden seitdem psychisch an den Folgen. Am Berufskolleg kehrte erst langsam wieder Ruhe ein. Auch während der Sommerferien bot die Leitung den Schülerinnen und Schülern sowie den Lehrerinnen und Lehrern Raum für Gespräche.

Doch so etwas wie Normalität habe es erst wieder ab dem Herbst gegeben. Bei ungewöhnlichen Geräuschen würden auch heute noch viele aufschrecken, berichtet die Schulleiterin im Gespräch mit dem WDR. Von dem Prozess erhoffe sie sich nun einen Abschluss der traumatischen Ereignisse.

Über das Thema berichtet der WDR am 02.12.2022 in Hörfunk und Fernsehen.