Der Sohn von Gerd Ascheid hat das Downsyndrom - auch bekannt als Trisomie 21. "Es ist ein bekanntes Phänomen. Die meisten wissen, was es ist. Das Problem ist aber die Vorstellung, was es ist, ist bei vielen falsch, weil sie einfach keinen Kontakt mit Menschen mit Downsyndrom haben", sagt der Vorsitzende der Lebenshilfe NRW.
Trisomie 21 ist eine genetische Abweichung
Das Downsyndrom ist keine Krankheit, es ist eine genetische Abweichung, bei der das 21. Chromosom in jeder Zelle dreifach vorhanden ist. Es entsteht durch Zufall und ist in den allermeisten Fällen nicht erblich. Es tritt bei ungefähr einem von 700 Neugeborenen auf. Bei Betroffenen verläuft die geistige, motorische und sprachliche Entwicklung langsamer als bei anderen. Durch gezielte Förderung können sie aber unterstützt werden. "Damit kann man viel erreichen", unterstreicht Gerd Ascheid.


Leben mit Down-Syndrom: "Menschen zu wenig sichtbar". WDR 5 Morgenecho - Interview. 21.03.2025. 06:28 Min.. Verfügbar bis 21.03.2026. WDR 5.
Vor mehr als 25 Jahren galt es noch als kleine Sensation: dass Menschen mit Downsyndrom überhaupt lesen und schreiben können. Dieses Vorurteil hat die Bonner Humangenetikerin Katja de Bragança damals widerlegt. "Sie können lesen und schreiben lernen. Und wenn sie es möchten, können sie sich auch fantastisch ausdrücken, das ist das Besondere am Ohrenkuss", erzählt sie. Das zeigt "Ohrenkuss": Seit 1989 geben Autorinnen und Autoren mit Downsyndrom die Zeitschrift heraus.
Oft negatives Bild in der Gesellschaft
In der Gesellschaft bestehe oft ein sehr negatives Bild von Menschen mit Downsyndrom, kritisiert Ascheid, der als Professor an der RWTH Aachen arbeitet. "Das ist sozusagen der Weltuntergang und wenn man ein Kind mit Downsyndrom bekommt, gibt es kein Leben mehr", formuliert er überspitzt. Doch das stimme nicht. Klar gebe es Probleme, aber für ihn überwiegen die positiven Aspekte.
Gesellschaftliche Teilhabe bleibt schwierig
Als Vater und Vorsitzender der Lebenshilfe NRW weiß Ascheid nur zu gut, dass Menschen mit Behinderungen in unserer Gesellschaft oft mit Vorurteilen und Hindernissen im Alltag konfrontiert sind. Denn Vielfalt und Inklusion wird nicht immer gelebt. Auch für Downsyndrom-Betroffene sei es immer angesichts ihrer Beeinträchtigung noch schwierig, an Dingen teilnehmen zu können. Sein mittlerweile 33-jähriger Sohn spielt begeistert Schlagzeug und zeigt das auf Youtube. In einer Band unterzukommen sei aber schwierig für ihn.
Madeline Stuart - Supermodel mit Downsyndrom
In den vergangenen Jahren und vor allen Dingen auch durch Social Media ist das Thema aber mehr in den Fokus gerückt. So gibt es mehr Serien und Sendungen mit Menschen mit Downsyndrom. In "Down the Road - die Abenteuerreisen" begeben sich zum Beispiel sechs Menschen mit Downsyndrom auf eine Abenteuerreise mit Ross Antony. Zu sehen ist dies in der ARD-Mediathek. Die Australierin Madeline Stuart hat sich beispielsweise in der Modewelt einen Namen gemacht: Sie ist das erste Model mit Downsyndrom und lief schon auf der Fashionweek in New York.
"Ich bin nicht krank" - Marie gibt Einblicke in ihren Alltag
Immer mehr Betroffene geben auf Instagram und Tiktok Einblick in ihren Alltag. So auch die 22-jährige Marie. Die junge Frau aus der Nähe von Hannover ist seit drei Jahren mit ihrem Schwager Furkan in den sozialen Medien aktiv. Auf Tiktok hat ihr Account "mariesweekends" mit Kochvideos und anderen Alltags-Einblicken mehr als 270.000 Follower und über sechs Millionen Likes.
Marie träumt davon, Schauspielerin zu werden. "Ich bin nicht krank, ich bin nicht behindert", betont die selbstbewusste junge Frau, die sich freut, wenn sie auf der Straße erkannt und angesprochen wird.
Auch Sonea ist betroffen. Gemeinsam mit ihrer Mutter betreibt sie auf Instagram den Account "Soneasonnenschein". Die 16-Jährige mag es nicht, auf ihr Downsyndrom reduziert zu werden.
Sie möchte Menschen informieren, die daran einfach Interesse haben. "Es ist ja wichtig, dass man sich äußeren kann", sagt sie im Podcast 0630.
"Two and a down men" - eine ganz besondere WG
Erik, Kalle und Madsi sind auf Tiktok als "twoandadownmen" unterwegs. Die Freunde aus Kindheitstagen wohnen zusammen in einer inklusiven Wohngemeinschaft. In ihren Videos feiern sie ihre Freundschaft, teilen ihre Leidenschaft für Fußball, besuchen Konzerte und gehen gemeinsam shoppen.
Inklusion, Respekt und Aufklärung
Beispiele, die zeigen, wie bunt und fröhlich ihr Leben ist. In Köln wollen heute am Welt-Downsyndrom-Tag hunderte Menschen auf die Straße gehen. Sie wollen auf Trisomie 21 aufmerksam machen und für mehr Vielfalt und Gleichberechtigung werben. "Menschen mit Downsyndrom haben ein Recht auf gleichberechtigte Teilhabe in allen Lebensbereichen", sagt die Behindertenbeauftragte der nordrhein-westfälischen Landesregierung, Claudia Middendorf. Sie setze sich dafür ein, "dass sie die nötige Unterstützung erhalten, um ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben zu führen".
Dafür kämpfte Hannah Kiesbye aus Pinneberg schon vor vielen Jahren: 2017 schrieb die damals 14-jährige Schülerin mit Downsyndrom in einer Zeitschrift, dass sie den Begriff Schwerbehindertenausweis nicht passend findet. Stattdessen wollte sie, dass das Dokument in "Schwer-in-Ordnung-Ausweis" umbenannt wird. Für ihre Idee wurde sie später von Frank-Walter Steinmeier mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Gerhard Ascheid von der Lebenshilfe NRW wünscht sich vor allem mehr Offenheit gegenüber Menschen mit Trisomie 21: "Dass man ihnen auch den Respekt entgegenbringt und nicht immer gleich mit einem Vorurteil rangeht. Die Menschen sind oft sehr empathisch und hilfsbereit. Wenn man offener ist, dann sieht man auch, dass der Kontakt mit Menschen mit Downsyndrom eine Bereicherung ist."
Unsere Quellen:
- dpa
- Touchdwon 21
- Tiktok