25. Welt-Aidskonferenz: Die neue Sorglosigkeit?

Aktuelle Stunde 22.07.2024 11:04 Min. UT Verfügbar bis 22.07.2026 WDR Von Astrid Houben

HIV und Aids sind nicht besiegt - immer noch sterben Menschen

Stand: 22.07.2024, 20:52 Uhr

Mit weniger als 100.000 Infizierten in Deutschland und immer weniger Toten ist die Angst vor Aids verschwunden. Die Gefahr bleibt.

"Tina, wat kosten denn die Kondome?" Ältere dürften sich noch erinnern - die Frage stammt aus einem TV-Spot mit Ingolf Lück und Hella von Sinnen von 1989, der heute als Klassiker der Aids-Prävention gilt. Das Aids auslösende HI-Virus (HIV) ist mehr als 30 Jahre nach diesem Spot immer noch nicht besiegt, aber zumindest in Europa deutlich in den Hintergrund getreten.

Immer noch Tote durch Aids in Deutschland

Doch auch in Deutschland gibt es trotz der guten Behandlungsmöglichkeiten immer noch Menschen, die nach einer HIV-Infektion Aids bekommen und an den Folgen sterben - in NRW waren es laut Landesamt für Statistik 2022 immerhin 60 Menschen. Darüber und über die globalen Herausforderungen im Kampf gegen Aids wird seit Montag auf der 25. Welt-Aids-Konferenz in München diskutiert. Die Konferenz geht bis zum 26. Juli.

Messegelände der Welt-Aids-Konferenz in München 2024

Welt-Aids-Konferenz 2024 in München

Die großen Kampagnen der 1980er-Jahre gibt es nicht mehr. Heute schlägt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) mit ihrer "Liebesleben"-Kampagne einen anderen Weg ein. Holger Wicht, Sprecher der Deutschen Aidshilfe, sieht die Entwicklung positiv. Die "Liebesleben"-Kampagne vermittele, wie man Sexualität "lustvoll und selbstbestimmt" erleben könne - frei von Angst. "Angst ist in der Prävention selten ein guter Ratgeber", so Wicht. HIV sei in der Kampagne ein Thema von vielen.

Im Kampf gegen HIV haben sich zum "Safer Sex" mit Kondom eine ganze Reihe weiterer Präventionsmaßnahmen hinzugesellt.

Je früher Infektionen aufgedeckt werden, je besser beziehungsweise "normaler" ist die Lebenserwartung derer, die eine Therapie beginnen. Aidshilfe NRW

Eine erfolgreiche Therapie kann die Übertragung des Virus durch Infizierte verhindern, und unmittelbar nach einem Risikokontakt - etwa beim Sex - kann eine Postexpositionsprophylaxe (PEP) mit HIV-Medikamenten eine Ansteckung verhindern.

Küssen, Anhusten und Trinken aus einem Glas sind ungefährlich

Diskriminierung und Stigmatisierung ist nach Ansicht von Patrik Maas und Dr. Guido Schlimbach, dem Führungs-Duo der Aidshilfe NRW, global die größte Herausforderung im Kampf gegen Aids. Daher betont die Aidshilfe, dass im alltäglichen Umgang mit Infizierten keine Gefahr für HIV-negative Menschen besteht. Ungefährlich sind:

  • Küssen, Händeschütteln und Umarmen
  • Anhusten und Anniesen
  • Gemeinsame Benutzung von Tellern, Gläsern und Besteck
  • Gemeinsame Benutzung von Toiletten, Handtüchern und Bettwäsche
  • Schwimmbäder und Saunen
  • Zusammenarbeiten und -wohnen mit HIV-Infizierten
  • Betreuen und Pflegen von HIV-Infizierten

Am häufigsten wird das Virus beim Vaginal- oder Analverkehr übertragen. Die weitaus meisten der laut Robert-Koch-Institut 96.700 HIV-Infizierten in Deutschland haben das Virus beim Sex zwischen Männern bekommen. Heterosexuelle Kontakte sowie Übertragungen über verunreinigte Nadeln oder gar Blutkonserven folgen mit großem Abstand. Und die weitaus meisten der weltweit rund 40 Millionen Menschen mit einer HIV-Infektion leben nach wie vor auf dem afrikanischen Kontinent. Das gilt auch für das Gros der 630.000, die 2023 an den Folgen von Aids gestorben sind.

Es gibt zwar nach wie vor keine Heilung für Aids oder eine Impfung, die eine Ansteckung verhindert. Doch neben der nachträglichen PEP gibt es auch eine Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP), bei der sich HIV-negative Menschen durch die Einnahme eines Medikaments vor einem möglich HIV-Kontakt schützen können. Die PrEP ist vor allem für Menschen mit einem höheren HIV-Risiko, etwa Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen wichtig. In einer umfassenden Studie der Deutschen Aidshilfe zur Gesundheit von Sexworkern berichten viele Sexarbeitende, dass die Nachfrage nach Sex ohne Kondom zugenommen habe. Für einige Studienteilnehmende führe dies - verbunden mit einer Verschlechterung ihrer finanziellen Situation - zu Druck, dem Wunsch der Kunden nachzukommen. Dadurch steige die Angst, sich mit HIV zu infizieren, erklärt die Studie. Ein erleichterter Zugang zur PrEP (unter anderem durch Gesundheitsämter) wäre deshalb wichtig, so die Deutsche Aidshilfe.

Aids kann tödlich sein - HIV lässt sich gut behandeln

Machtlos ist man im Kampf gegen HIV also schon lange nicht mehr. Doch vielen sei nicht klar, dass sich HIV heute sehr gut behandeln lässt:

Das ist erstaunlich hartnäckig, dass Menschen den Unterschied zwischen HIV und Aids nicht kennen. Aids ist die schwere Erkrankung, die man bekommt, wenn eine HIV-Infektion lange unbehandelt bleibt. Holger Wicht, Pressesprecher Deutsche Aidshilfe

Aids dagegen sei "eine schwere Krankheit, an der man auch sterben könnte. Die lässt sich aber heute vermeiden", so Wicht. Vermeiden bedeutet, dass man lebenslang regelmäßig ein Medikament einnimmt, dass die Vermehrung des HI-Virus im Körper verhindert. Rechtzeitig erkannt, lässt sich das Virus mit Medikamenten so gut unter Kontrolle bringen, dass Patienten und Patientinnen nicht nur eine normale Lebenserwartung und -qualität haben, sondern das Virus beim Sex oder während einer Schwangerschaft auch gar nicht übertragen können.

Aidshilfe-Sprecher Wicht räumt indes ein, dass "rechtzeitig" ein schwer zu fassender Begriff sei. Der Hauptrisikogruppe - Männer, die Geschlechtsverkehr mit Männern haben - empfiehlt die Aidshilfe, einmal jährlich einen Aids-Test zu machen. "Nach einem Jahr gibt es noch keinen gravierenden Schaden", so Wicht.

Stand der HIV-Forschung: Behandlung und Prävention

WDR 5 Morgenecho - Interview 22.07.2024 05:02 Min. Verfügbar bis 22.07.2025 WDR 5


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Gravierend und potenziell tödlich sind zu spät erkannte HIV-Infektionen, wenn das Immunsystem schon stark geschädigt oder Aids bereits ausgebrochen ist. Auch dann gelte noch, dass es selten zu spät sei, um etwas zu tun, doch in 30 Prozent dieser Fälle habe HIV letztlich tödliche Folgen. Daher fordert die Aidshilfe, das Testangebot zu verbesseren: Je länger HIV unbehandelt im Körper sei, desto größer seien die Folgeschäden.

Unsere Quellen:

  • Aidshilfe NRW
  • Deutsche Aidshilfe
  • Robert-Koch-Institut
  • UNAIDS (Gemeinsame Programm der Vereinten Nationen für HIV/Aids)

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