Zwei interne Berichte zu den Ereignissen in der Silvesternacht setzen die Kölner Polizei weiter unter Druck. Der eine stammt von einer Hundertschaft der Kölner Polizei, die für die Sicherheit außerhalb des Bahnhofs zuständig war. Der zweite Bericht kommt von der Bundespolizei, die die Sicherheit innerhalb des Kölner Bahnhofs gewährleisten sollte. Die Schilderungen in beiden Berichten machen deutlich, dass die Polizei schon in der Nacht von der Schwere und dem Umfang der Taten rund um den Bahnhof gewusst hat.
Der Bericht der Kölner Hundertschaft
Aus dem Bericht einer Kölner Einsatzhundertschaft vom 2. Januar, der dem WDR vorliegt, wird zudem deutlich, dass in der Nacht mehr als 70 Personalien festgestellt wurden - eine Vielzahl der Kontrollierten hat sich dabei offenbar als Flüchtlinge ausgewiesen. Laut dem Bericht wurden zwischen 22 Uhr und 05.05 Uhr am Kölner Bahnhof insgesamt 71 Personalien festgestellt, 10 Platzverweise ausgesprochen und 32 Strafanzeigen geschrieben. Außerdem gab es 11 Ingewahrsamnahmen und vier Festnahmen. Was die Identität der Kontrollierten am Bahnhof betrifft, heißt es: "Bei den durchgeführten Personlienfeststellungen konnte sich der überwiegende Teil der Personen lediglich mit dem Registrierungsbeleg als Asylsuchender der BAMF ausweisen, Ausweispapiere lagen in der Regel nicht vor." Ob es sich bei den kontrollieren Personen tatsächlich auch um mutmaßliche Täter handelt, denen Straftaten vorgeworfen werden, geht aus dem Bericht nicht hervor.
Bericht widerlegt die öffentlichen Aussagen der Kölner Polizei
Diese Aussagen stehen in teils deutlichem Gegensatz zu den Darstellungen, die die Kölner Polizei an den Folgetagen der Silversternacht der Öffentlichkeit präsentierte. Am 1. Januar hatte die Polizei noch von "ausgelassener Stimmung" und einem "weitgehend friedlichen" Verlauf der Silvesterfeiern berichtet, diesen Fehler aber später mit "internen Kommuniktionsproblemen" begründet. Diskutiert wird weiterhin auch über die Einsatzplanung. So wurde am Donnerstag (07.01.2016) bekannt, dass die Kölner Polizei im Vorfeld beim Land eine Hundertschaft mit drei Mannschaftszügen angefordert hatte. Das bestätigte ein Sprecher des für die Bereitschaftspolizei zuständigen Landesamtes für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD) dem WDR.
Polizei: "Es gab keinerlei Erkentnisse"
Nach einer gemeinsamen Einschätzung der Lage sei man zu dem Entschluss gekommen, eine Hundertschaft mit zwei Zügen nach Köln zu schicken. Ein Mannschaftszug bestehe jeweils aus 38 Beamten. Dadurch seien mehr Polizisten im Einsatz gewesen als in den Jahren zuvor, als lediglich ein Zug in die Domstadt geschickt wurde. Der Sprecher betonte zudem, dass man im Vorfeld von einer ähnlichen Lage wie in den vergangenen Jahren ausgegangen sei. "Zum Zeitpunkt der Kräftezuteilung am 18. Dezember 2015 lagen keinerlei Erkenntnisse vor, dass es in Köln zu einem solch schockierenden Szenario in der Silvesternacht kommen könnte", sagte er. Auch der Präsident des Bundespolizeipräsidiums, Dieter Romann, hat die personelle Ausstattung der Polizei verteidigt. Es habe umfängliche Planungen mit dem Land und der Stadt Köln gegeben. Allerdings hätten sich die Ereignisse unvorhersehbar entwickelt.
Interner Bericht eines Bundespolizisten
Die Bundespolizei sollte die Sicherheit innerhalb des Bahnhofs gewährleisten. Der interne Bericht eines Bundespolizisten, (laut dem Nachrichtenmagazin "Spiegel" vom 4. Januar) liefert einen drastischen Eindruck des Geschehens in der Silvesternacht. "Frauen mit Begleitung oder ohne durchliefen einen im wahrsten Sinne 'Spießroutenlauf' durch die stark alkoholisierten Männermassen, wie man es nicht beschreiben kann." Die Masse auf dem Bahnhofsvorplatz habe sich durch die Präsenz der Polizei nicht beeindrucken lassen. Vielmehr seien die Einsatzkräfte immer wieder mit Feuerwerkskörper beschossen und mit Flaschen beschossen worden, heißt es im Bericht.
"Im Einsatzverlauf erschienen zahlreiche weinende und schockierte Frauen/Mädchen bei den eingesetzten Beamten und schilderten Sex. Übergriffe durch mehrere männliche Migranten/-gruppen", schreibt der Beamte.
Rücksprache mit Landespolizei
Eine Feststellung der Personalien sei dadurch nicht mehr möglich gewesen. "Die Einsatzkräfte konnten nicht allen Ereignissen, Übergriffen, Straftaten usw. Her [sic] werden, dafür waren es einfach zu viele zur gleichen Zeit." Und weiter der Beamte: "Wir kamen (...) zu dem Entschluss, dass die uns gebotene Situation (Chaos) noch zu erheblichen Verletzungen, wenn nicht sogar zu Toten führen würde."
Eine halbe Stunde vor Mitternacht hatten Landes- und Bundespolizei entschieden, den Bereich der Domtreppe am Bahnhofsvorplatz zu räumen. Doch auch dies verlief nicht reibungslos: "Erschwerend bei der Räumung neben der Verständigung waren die körperlichen Zustände der Personen aufgrund des offensichtlichen massiven Alkoholgenusses und anderer berauschender Mittel." In dem internen Bericht der Kölner Hundertschaft werden die Schilderungen des Bundespolizisten bestätigt. Darin wird unter anderem berichtet, dass auch eine Zivilbeamtin unter den Opfern der Übergriffe waren. Zudem hätte es keine Unterbringungsmöglichkeit für festgenommene Tatverdächtige gegeben.
16 Tatverdächtige ermittelt
Nach den Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Köln ist die Zahl der Strafanzeigen auf 121 gestiegen, sagte der Kölner Polizeipräsident Wolfgang Albers dem WDR am Donnerstag (07.01.2015). Die Ermittler hätten bislang insgesamt 16 Verdächtige ausgemacht, die mit den Taten in Zusammenhang stehen könnten. Die meisten Verdächtigen seien zwar noch nicht namentlich bekannt, aber auf Bild- oder Videoaufnahmen klar erkennbar. Diese weiter auszuwerten, sei Aufgabe einer Ermittlungsgruppe, die jetzt auf 80 Beamte aufgestockt worden sei, sagte Albers.
Mehr Einsatzkräfte an Karneval
Ebenfalls ausbauen will die Kölner Polizei ihre Präsenz an den bevorstehenden Karnevalstagen. Es würden sowohl uniformierte wie auch zivile Beamte eingesetzt, so der Polizeipräsident. Die Karnevalisten in Köln und Düsseldorf sehen ihrerseits keine Notwendigkeit, das eigene Sicherheitskonzept anzupassen. Das sei Sache der Polizei und der örtlichen Behörden.