Nach der repräsentativen Umfrage im Auftrag des Digitalverbands Bitkom liegt die durchschnittliche Nutzungszeit über alle Altersgruppen ab 16 Jahren mittlerweile bei rund 150 Minuten pro Tag. Bei jüngeren Menschen liege der Wert sogar bei mehr als drei Stunden, teilte Bitkom am Dienstag mit. Für die Studie wurden insgesamt 1.007 Personen nach ihren Smartphone-Gewohnheiten befragt.
Jüngere Nutzer zwischen 16 und 29 schätzten demnach, dass ihre tägliche Smartphone-Zeit im Durchschnitt bei 182 Minuten liegt. Bei den 30- bis 49-Jährigen waren es nur noch 158 Minuten, 50- bis 64-Jährige gaben an, 148 Minuten pro Tag mit ihrem Smartphone zu verbringen. Bei über 65-Jährigen sinkt dieser Wert laut der Umfrage auf nur noch 96 Minuten. Alle Zeiten beruhen auf einer Selbsteinschätzung der Befragten, überprüft wurden die Angaben nicht. Auch was die Befragten genau mit ihren Smartphones machten - zum Beispiel Social Media, Nachrichten lesen, Videos gucken - wurde nicht abgefragt.
Zahlen steigen kontinuierlich an
Bereits seit 2021 untersucht die Bitkom einmal jährlich, wie viel Zeit die Deutschen täglich mit dem Smartphone verbringen. In den vergangenen zwei Jahren ist die Nutzungsdauer demnach kontinuierlich gestiegen. Während 2022 die durchschnittliche Zeit in allen Altersklassen noch bei 134 Minuten lag, meldete die Bitkom 2023 bereits eine Nutzungszeit von 143 Minuten. Während der Corona-Pandemie im Jahr 2021 lagen die Zahlen allerdings noch viel höher: bei 163 Minuten in allen Altersklassen, 16- bis 29-Jährige beschäftigten sich sogar durchschnittlich 220 Minuten mit dem Handy.
Schon länger warnen Wissenschaftler vor den Folgen einer exzessiven Handynutzung. "Die Entwicklung hin zu einer fortwährenden Präsenz des Smartphones hat negative Konsequenzen für die Aufmerksamkeit", wird zum Beispiel Sven Lindberg, Leiter der Klinischen Entwicklungspsychologie, in einer Pressemitteilung der Uni Paderborn zitiert. Der Wissenschaftler hatte im Juni 2023 eine Studie zum Einfluss von Smartphones auf kognitive Fähigkeiten durchgeführt.
Das Ergebnis: Wer täglich viel Zeit am Handy verbringt, arbeitet insgesamt langsamer und kann sich schlechter konzentrieren als Menschen, die Smartphones wenig nutzen. "Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass insbesondere die Geschwindigkeit der kognitiven Leistung und die Verarbeitung von Informationen beeinträchtigt werden", so Lindberg.
Reduktion hat positive Effekte
Die gute Nachricht: Wer bewusst mit dem Smartphone umgeht und seinen täglichen Konsum einschränkt, kann offenbar schnell mit positiven Effekten rechnen. Die Psychologin Julia Brailovskaia von der Ruhr-Uni Bochum hatte im Jahr 2022 untersucht, ob weniger Zeit am Handy das allgemeine Wohlbefinden verbessern kann. Jeweils rund 200 Testpersonen verzichteten dafür eine Woche lang komplett auf's Handy, eine ähnlich große Gruppe reduzierte die tägliche Nutzungszeit um eine Stunde. Eine dritte Gruppe änderte ihre Gewohnheiten nicht.
Das Ergebnis: Langfristig am besten ging es den Probanden, die ihre Handynutzung um eine Stunde reduziert hatten. Auch Monate nach dem Abschluss der Studie verbrachten die Teilnehmer durchschnittlich 45 Minuten weniger Zeit mit dem Handy als vor dem Experiment. Sowohl die Teilnehmer, die komplett auf das Handy verzichtet hatten, als auch jene, die ihre Handyzeit nur reduziert hatten, berichteten von positiven Effekten. Insgesamt sei ihre Lebenszufriedenheit gestiegen, auch seien sie körperlich aktiver. In der "Reduktions"-Gruppe hielten diese Effekte besonders lange an und waren damit stabiler als in der "Abstinenz"-Gruppe.
Zwanghafter Griff zum Handy
Aber wie viel Zeit am Handy ist noch in Ordnung? Und ab wann sollte man sich Sorgen machen? "Das kann man so pauschal nicht sagen", sagte Brailovskaia dem WDR am Mittwoch. Allgemein gehe man heute davon aus, dass eine Stunde am Tag in der Regel unbedenklich ist. "Wenn es regelmäßig mehr werden, dann kommt es auf den Nutzer oder die Nutzerin an." Besonders Social Media werde von vielen jüngeren Menschen exzessiv genutzt, so Brailovskaia. Eingreifen sollte man spätestens, wenn suchtartige Merkmale auftreten - zum Beispiel wenn der Griff zum Handy zwanghafte Züge annimmt.
Empfehlungen der WHO zur Mediennutzung
Für Kinder gibt es hingegen klare Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation zum Thema Bildschirmzeit. Ab dem neunten Geburtstag empfiehlt die WHO zehn Minuten pro Lebensjahr am Tag oder alternativ eine Stunde pro Lebensjahr in der Woche. Das sei zwar eine gute Faustregel, meinte Medienpädagogin Iren Schulz im Gespräch mit dem WDR, allerdings könnten Eltern dabei auch zwischen "guter" und "problematischer" Mediennutzung unterscheiden. Wenn das Kind sich kreativ und aktiv im Netz bewege, sei das etwas völlig anderes als wenn es nur "daddelt" oder sich berieseln lasse.
Besonders wichtig sei aber, dass Eltern in Sachen Mediennutzung selbst ein gutes Vorbild abgeben, betont Schulz. Sonst müssten sie mit dieser Reaktion rechnen: "Ich hab überhaupt keine Lust, mich an Regeln zu halten, die Mama und Papa aufstellen, wenn die sich nicht selbst daran halten."
Quellen:
- Deutsche Presse Agentur
- Pressemitteilung Digitalverband Bitkom
- Pressemitteilung Uni Paderborn
- Informationen der Ruhr-Uni Bochum
- Interview mit Iren Schulz bei WDR2
Über dieses Thema berichten wir im WDR am 21.03.2024 auch im Hörfunk: WDR 2, 6.40 Uhr.