In Rheinland-Pfalz ist ein zehnjähriges Mädchen auf dem Schulweg entführt und sexueller Gewalt ausgesetzt worden. Die Polizei konnte den Verdächtigen schnell stellen. Das war unter anderem deswegen möglich, weil der Vater des Mädchens seine Tochter schon um 9 Uhr als vermisst gemeldet hatte. Er wurde am Morgen direkt von der Schule angerufen und darüber informiert, dass sein Kind nicht in der Schule angekommen war.
Diese Praxis ist in Rheinland-Pfalz in der Schulordnung des Landes vorgeschrieben. Dort heißt es:
Keine konkrete Meldepflicht in NRW
Diese Pflicht von Schulen, die Eltern bei unentschuldigtem Fernbleiben zu benachrichtigen, ist in Nordrhein-Westfalen bisher nicht so konkret im NRW-Schulgesetz verankert. Das Landesschulministerium verweist hier auf die allgemeine Pflicht von Schulen, "Eltern in allen grundsätzlichen und wichtigen Schulangelegenheiten zu informieren".
Darunter falle auch die Information der Eltern, wenn minderjährige Schülerinnen und Schüler aus ungeklärten Gründen vom Unterricht fernbleiben. Weitergehende rechtliche Vorgaben gebe es bisher nicht, hieß es aus dem Schulministerium.
Schulleiter: In der Praxis schwer umzusetzen
Bisher ist es in NRW also den Schulen selbst überlassen, wie schnell und ob sie Eltern anrufen, wenn ihr Kind nicht in der Schule erscheint. So eine Meldepflicht umzusetzen, hat viele Tücken. Das liegt auch an der Menge der Schüler, in NRW ist die Klassendichte in den Grundschulen mit durchschnittlich 23,5 Kindern am höchsten, in Rheinland-Pfalz mit 18,6 Schülern am niedrigsten.
Natürlich werde zu Unterrichtsbeginn nachgehalten, wenn jemand fehlt, sagt etwa Harald Willert, Vorsitzender der Schulleitungsvereinigung NRW. Doch häufig erhielten die Lehrer die Entschuldigung für dieses Fehlen erst im Laufe des Tages. Dazu komme die Personalsituation an den Schulen, in Grundschulen seien Sekretariate zum Teil nur stundenweise besetzt.
Besondere Herausforderung bei zugewanderten Kindern
In der Regenbogenschule in Duisburg-Marxloh gibt es zusätzlich die Herausforderung, dass viele Kinder neu zugewandert sind, wie Schulleiter Haris Kondza berichtet. Mindestens die Hälfte der Eltern spreche kein Deutsch, einige Familien seien telefonisch gar nicht zu erreichen. "Viele Familien sind nicht dazu in der Lage, ihre Kinder regelmäßig in die Schule zu schicken", so Kondza.
Auch jetzt würden bereits in einigen Fällen die Eltern angerufen, wenn ein Kind unerwartet und unentschuldigt fehlt. Aber selbst mit den neu eingerichteten Alltagshelfern sei es nicht zu stemmen, alle Eltern unmittelbar bis etwa 9 Uhr anrufen, wenn ihr Kind nicht erscheint.
Meldepflicht gewünscht, aber in der Praxis schwer umsetzbar
Momentan sei so eine Meldepflicht wegen fehlenden Personals nicht zu machen, selbst mit den neuen Alltagshelfern in den NRW-Schulen. Kondza wünscht sich eine Stärkung der Sozialarbeit, so dass präventiv mit den Eltern entsprechende Strukturen geschaffen werden können.
Viele Eltern in Duisburg-Marxloh, aber wohl nicht nur hier, wünschen sich so eine Alarmkette, etwa mit dem Gedanken an Verkehrsunfälle. Auch der Elternverein NRW hält im Grundschulalter und auch nach dem Wechsel in die weiterführende Schule "ein engmaschiges, zuverlässiges Kontaktsystem für erforderlich, damit im Notfall keine Zeit verloren geht".
Gewerkschaft: Sinnvoll, aber es fehlen die Ressourcen
Die Lehrergewerkschaft GEW NRW hält eine solche Regelung grundsätzlich für sinnvoll. Teilweise werde in Schulen in NRW bereits so verfahren, aber nicht generell und vor allem nicht sofort und unmittelbar nach Unterrichtsbeginn. Besonders in Grundschulen sei man natürlich jetzt schon besonders aufmerksam.
Dennoch brauche es für eine verbindliche Regelung die nötigen Ressourcen, zurzeit seien die meisten Schulen gar nicht in der Lage, ein sofortiges Meldesystem umzusetzen. Vor allem dürfe dies nicht auf Kosten der Lehrer und ihrer Zeit für die anderen Schüler gehen, so die GEW.
Ministerium will Bedarf der Meldepflicht prüfen
Aus dem NRW-Schulministerium heißt es, man wolle das "Thema im Rahmen der nächsten Dienstbesprechungen mit der Schulaufsicht aufgreifen, um zu klären, ob in Nordrhein-Westfalen diesbezüglich Konkretisierungsbedarf besteht."
Über dieses Thema berichtete der WDR auch in der Sendung WDR aktuell am 15.9.2023 ab 12.45 Uhr.
Quellen:
- Nachrichtenagenturen dpa und epd
- Schulministerium NRW
- Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Rheinland-Pfalz
- Schulleitung Regenbogenschule Duisburg-Marxloh
- Lehrergewerkschaft GEW NRW
- Schulleitungsvereinigung NRW
- Elternverein NRW