NRW prüft Alarmsystem für vermisste Schüler:innen WDR aktuell 15.09.2023 07:42 Min. Verfügbar bis 15.09.2025 WDR Von Beate Becker

Meldepflicht bei fehlenden Schülern: Schulweg mit Alarmkette sichern?

Stand: 15.09.2023, 14:47 Uhr

Nach einer Entführung in Rheinland-Pfalz wird auch in NRW über eine Alarmkette für den Schulweg diskutiert: Sollten Schulen sofort die Eltern anrufen, wenn ein Kind unentschuldigt fehlt? In NRW gibt es diese konkrete Pflicht noch nicht.

In Rheinland-Pfalz ist ein zehnjähriges Mädchen auf dem Schulweg entführt und sexueller Gewalt ausgesetzt worden. Die Polizei konnte den Verdächtigen schnell stellen. Das war unter anderem deswegen möglich, weil der Vater des Mädchens seine Tochter schon um 9 Uhr als vermisst gemeldet hatte. Er wurde am Morgen direkt von der Schule angerufen und darüber informiert, dass sein Kind nicht in der Schule angekommen war.

Diese Praxis ist in Rheinland-Pfalz in der Schulordnung des Landes vorgeschrieben. Dort heißt es:

"Sind Schülerinnen und Schüler verhindert, am Unterricht oder an sonstigen für verbindlich erklärten Schulveranstaltungen teilzunehmen, haben sie oder im Falle der Minderjährigkeit die Eltern die Schule unverzüglich zu benachrichtigen (...). Bei unentschuldigtem Fernbleiben von minderjährigen Schülerinnen und Schülern sind die Eltern unverzüglich zu benachrichtigen." Übergreifende Schulordnung in Rheinland-Pfalz (§37.1)

Keine konkrete Meldepflicht in NRW

Diese Pflicht von Schulen, die Eltern bei unentschuldigtem Fernbleiben zu benachrichtigen, ist in Nordrhein-Westfalen bisher nicht so konkret im NRW-Schulgesetz verankert. Das Landesschulministerium verweist hier auf die allgemeine Pflicht von Schulen, "Eltern in allen grundsätzlichen und wichtigen Schulangelegenheiten zu informieren".

Darunter falle auch die Information der Eltern, wenn minderjährige Schülerinnen und Schüler aus ungeklärten Gründen vom Unterricht fernbleiben. Weitergehende rechtliche Vorgaben gebe es bisher nicht, hieß es aus dem Schulministerium.

Schulleiter: In der Praxis schwer umzusetzen

Bisher ist es in NRW also den Schulen selbst überlassen, wie schnell und ob sie Eltern anrufen, wenn ihr Kind nicht in der Schule erscheint. So eine Meldepflicht umzusetzen, hat viele Tücken. Das liegt auch an der Menge der Schüler, in NRW ist die Klassendichte in den Grundschulen mit durchschnittlich 23,5 Kindern am höchsten, in Rheinland-Pfalz mit 18,6 Schülern am niedrigsten.

Natürlich werde zu Unterrichtsbeginn nachgehalten, wenn jemand fehlt, sagt etwa Harald Willert, Vorsitzender der Schulleitungsvereinigung NRW. Doch häufig erhielten die Lehrer die Entschuldigung für dieses Fehlen erst im Laufe des Tages. Dazu komme die Personalsituation an den Schulen, in Grundschulen seien Sekretariate zum Teil nur stundenweise besetzt.

Besondere Herausforderung bei zugewanderten Kindern

In der Regenbogenschule in Duisburg-Marxloh gibt es zusätzlich die Herausforderung, dass viele Kinder neu zugewandert sind, wie Schulleiter Haris Kondza berichtet. Mindestens die Hälfte der Eltern spreche kein Deutsch, einige Familien seien telefonisch gar nicht zu erreichen. "Viele Familien sind nicht dazu in der Lage, ihre Kinder regelmäßig in die Schule zu schicken", so Kondza.

Auch jetzt würden bereits in einigen Fällen die Eltern angerufen, wenn ein Kind unerwartet und unentschuldigt fehlt. Aber selbst mit den neu eingerichteten Alltagshelfern sei es nicht zu stemmen, alle Eltern unmittelbar bis etwa 9 Uhr anrufen, wenn ihr Kind nicht erscheint.

"Ich würde mir verbindliche Regeln wünschen, müsste dann aber auch eine Rechtsicherheit haben - besser als eine unverbindliche Regelung, die in der Praxis nicht immer umzusetzen ist." Haris Kondza, Schulleiter Regenbogenschule Duisburg-Marxloh

Meldepflicht gewünscht, aber in der Praxis schwer umsetzbar

Momentan sei so eine Meldepflicht wegen fehlenden Personals nicht zu machen, selbst mit den neuen Alltagshelfern in den NRW-Schulen. Kondza wünscht sich eine Stärkung der Sozialarbeit, so dass präventiv mit den Eltern entsprechende Strukturen geschaffen werden können.

Viele Eltern in Duisburg-Marxloh, aber wohl nicht nur hier, wünschen sich so eine Alarmkette, etwa mit dem Gedanken an Verkehrsunfälle. Auch der Elternverein NRW hält im Grundschulalter und auch nach dem Wechsel in die weiterführende Schule "ein engmaschiges, zuverlässiges Kontaktsystem für erforderlich, damit im Notfall keine Zeit verloren geht".

"Eine solche 'Alarmkette', wie sie aus Rheinland-Pfalz geschildert wird, halten wir grundsätzlich für sehr sinnvoll. Sie darf auf keinen Fall an Dingen wie Personalmangel scheitern, zumal die Aktivierung ja zum Glück äußerst selten notwendig ist." Regine Schwarzhoff, stellvertretende Vorsitzende Elternverein NRW

Gewerkschaft: Sinnvoll, aber es fehlen die Ressourcen

Die Lehrergewerkschaft GEW NRW hält eine solche Regelung grundsätzlich für sinnvoll. Teilweise werde in Schulen in NRW bereits so verfahren, aber nicht generell und vor allem nicht sofort und unmittelbar nach Unterrichtsbeginn. Besonders in Grundschulen sei man natürlich jetzt schon besonders aufmerksam.

Dennoch brauche es für eine verbindliche Regelung die nötigen Ressourcen, zurzeit seien die meisten Schulen gar nicht in der Lage, ein sofortiges Meldesystem umzusetzen. Vor allem dürfe dies nicht auf Kosten der Lehrer und ihrer Zeit für die anderen Schüler gehen, so die GEW.

Ministerium will Bedarf der Meldepflicht prüfen

Aus dem NRW-Schulministerium heißt es, man wolle das "Thema im Rahmen der nächsten Dienstbesprechungen mit der Schulaufsicht aufgreifen, um zu klären, ob in Nordrhein-Westfalen diesbezüglich Konkretisierungsbedarf besteht."

Über dieses Thema berichtete der WDR auch in der Sendung WDR aktuell am 15.9.2023 ab 12.45 Uhr.

Quellen:

  • Nachrichtenagenturen dpa und epd
  • Schulministerium NRW
  • Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Rheinland-Pfalz
  • Schulleitung Regenbogenschule Duisburg-Marxloh
  • Lehrergewerkschaft GEW NRW
  • Schulleitungsvereinigung NRW
  • Elternverein NRW