Warum Schützenfeste für viele Menschen so wichtig sind

Stand: 23.08.2024, 13:32 Uhr

In Neuss ist am Wochenende Schützenfest - wie schon den ganzen Sommer in vielen Orten in NRW. Welche Bedeutung die Feste für die Schützen und die Kommunen haben.

Gemeinsam an der Theke stehen, auf den Vogel schießen und auf dem Königsball tanzen: Für viele Menschen gehört das Schützenfest in der Heimat zum Sommer dazu. In Neuss feiert der Bürger-Schützenverein am Wochenende das weltweit größte von einem einzigen Verein organisierte Fest.

Die Schützenfest-Saison in NRW läuft aber schon seit einigen Monaten. In vielen großen und kleinen Orten feiern die Vereine ihre Feste - die meisten schon seit vielen Jahrzehnten. Für den 19-jährigen Sebastian aus Siddinghausen im Kreis Paderborn ist das Tradition: "Ich weiß, dass jetzt drei Tage mit dem ganzen Dorf Spaß und Verbundenheit herrschen", sagt er dem WDR-Format "Die andere Frage". Jedes Jahr im Juni feiert der Heimatschutzverein Siddinghausen sein Schützenfest. Sebastian ist als aktiver Schütze dabei: "Das ist bei uns komplett normal, dass du mit 17 oder 18 losmarschierst."

Zum Schützenfest gehören feste Rituale: Viele Siddinghauser hängen Fahnen vor dem Haus auf. Das Fest selbst hat einen Zeitplan mit Antreten vor dem Schützenhaus, Festmarsch und Festball.

Traditionen pflegen, Kindheitsfreunde treffen

Viele Schützen wissen diese festen Abläufe zu schätzen. Marco Ufer ist Mitglied im Allgemeinen Schützenverein Lette im Münsterland. Er feiert gerne "wegen der alten Traditionen" mit und weil er beim Schützenfest seine Kindheitsfreunde wieder trifft. Ufer wohnt inzwischen nicht mehr in der Heimat, sondern etwas weiter entfernt in Nottuln. Der Besuch beim dreitägigen Schützenfest ist für ihn selbstverständlich, dafür nimmt er sogar Urlaub.

Der 38-Jährige möchte damit auch die Arbeit der Ehrenamtlichen im Verein unterstützen. Besonders gefällt ihm, dass der Verein auch den Familien ein Angebot macht und den Nachwuchs anspricht: Am Schützenfest-Sonntag gibt es einen Familientag und die Kinder dürfen ihren eigenen Schützenkönig oder die Schützenkönigin ausschießen.

Schützenfeste werden wegen des Alkoholkonsums auch kritisch gesehen. Bier in großen Mengen gehört zu den Festen in der Regel dazu. Und auch die Präsentation von Waffen finden manche irritierend. Bei den Festmärschen werden Holzgewehre über der Schulter getragen. Der Schützenkönig wird ermittelt, indem die Schützen mit einem Luftgewehr auf einen montierten Holzvogel schießen.

An diesen Diskussionen rund um Alkohol und Waffen kann man erkennen, dass gesellschaftliche Entwicklungen sich auch in Schützenvereinen zeigen. Das gilt auch für Debatten über die Gleichberechtigung von Frauen.

Frauen erkämpfen sich ihren Platz in den Vereinen

In vielen Schützenvereinen geben weiterhin Männer den Ton an: Nur sie dürfen dann bei den Festmärschen mitmarschieren oder Schützenkönig werden. Das ist auch in Siddinghausen im Kreis Paderborn so - auch wenn es darüber unter den Schützen unterschiedliche Meinungen gibt.

In einigen Vereinen sind Frauen dagegen schon gleichberechtigt dabei. In Lette im Münsterland haben die Frauen eine eigene Kompanie, mit der sie bei den Festumzügen mitmarschieren. Es gab auch schon eine Schützenkönigin.

In Neuss dürfen Frauen bald aktive Mitglieder werden

Im Bürger-Schützenverein in Neuss dürfen Frauen ab dem kommenden Jahr aktive Mitglieder mit Stimmrecht bei Versammlungen werden. Sie dürfen aber weiterhin nicht mitmarschieren oder auf den Vogel schießen und Schützenkönigin werden. "Es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, auch wenn er mir nicht weit genug geht", hatte Constanze Stroeks nach der Satzungsänderung im Juni gesagt. Sie ist eine der wenigen weiblichen passiven Mitglieder im Verein und setzt sich für eine stärkere Rolle der Frauen ein.

In Dormagen dürfen Frauen inzwischen beim Festzug mitmarschieren. Seit zwei Jahren gibt es im Schützenverein mit den "Herzdamen 2022" den ersten Frauenzug. Die 23-jährige Selina Drecnik hat den Zug gegründet. Sie wurde vom Vorsitzenden des Vereins dazu aufgefordert: "Ich habe mir gedacht: Klar, warum nicht?! Das ist die Chance, dass wir auch dabei sein dürfen." Für alle Schützenvereine, die sich mit Frauen noch schwertun, hat sie eine Botschaft: "Traut euch ran! Die Frauen wollen euch nichts. Die wollen auch nur mit Spaß haben, mit dabei sein."

Über dieses Thema berichtet der WDR am 24.8.2024 auch im Hörfunk: WDR 5 Morgenecho ab 6 Uhr.