Trinkhallen im Ruhrgebiet: Hässlich, aber wichtig

Von Ingo Neumayer

Bier und Zeitung, Klatsch und Gummibärchen: An den Trinkhallen im Ruhrgebiet wird man mit allem versorgt - nur nicht mit Ästhetik. Nun gibt es eine Ausstellung über die hässlichsten Exemplare.

Trinkhalle in Essen-Freisenbruch

Oft geht es bei Foto-Ausstellungen ja um Ästhetik und Schönheit: Hier wird etwas ins rechte Licht gesetzt, dort die Schokoladenseite präsentiert. Doch der Journalist und Autor Peter Hesse hat daran wenig Interesse. Er präsentiert lieber "Die hässlichsten Trinkhallen des Ruhrgebiets" - so wie dieses Exemplar in Essen-Freisenbruch.

Oft geht es bei Foto-Ausstellungen ja um Ästhetik und Schönheit: Hier wird etwas ins rechte Licht gesetzt, dort die Schokoladenseite präsentiert. Doch der Journalist und Autor Peter Hesse hat daran wenig Interesse. Er präsentiert lieber "Die hässlichsten Trinkhallen des Ruhrgebiets" - so wie dieses Exemplar in Essen-Freisenbruch.

Die Idee kam Hesse während der Corona-Pandemie. Er hatte Zeit, fuhr durch die Gegend und dabei besonders in Ecken des Ruhrgebiets, die er noch nicht so gut kannte. Dabei stieß er immer wieder auf Trinkhallen, die vom Erscheinungsbild "eher kurios" waren. Diese steht in Bochum-Riemke.

Unter dem Hashtag #diehässlichstentrinkhallenimpott postete Hesse seine Bilder auf Instagram, wo sie sich schnell einer größeren Beliebtheit erfreuten. "Natürlich gibt es hier auch wunderschöne Trinkhallen", sagt Hesse. "Die sehen aus wie aus dem Bilderbuch." Ihn interessiert aber eher das Kaputte, Zusammengebastelte, Improvisierte. Dieses Exemplar findet man in Hesses Heimatstadt Herne.

Es sind oft die Kontraste, die Hesses Bilder interessant machen. Wie zum Beispiel dieses Büdchen in Crange, das sich in einem schönen Klinkerbau befindet - und den Gesamteindruck durch eine fragwürdige Farbwahl und Gestaltung nachhaltig trübt.

Zu den Hintergründen und Geschichten hinter den Trinkhallen kann Hesse, der inzwischen über 300 dieser Orte besucht hat, wenig sagen. Er sieht sich eher als Dokumentar und stiller Beobachter. Manches wirkt auch einfach für sich - so wie diese Halle in Herne-Baukau.

Wie viele dieser Büdchen es im Ruhrgebiet gibt? Schwer zu sagen und davon abhängig, wo man die Grenze zwischen Trinkhallen, Kiosken, kleinen Märkten und Geschäften zieht. Der Kommunalverband Ruhr schätzte die Anzahl der Trinkhallen Ende der 1990er Jahre auf 16.000. Der "Spiegel" ging 2019 von 5.000 Hallen aus.

Inzwischen dürften es noch weniger sein. "Viele haben die Corona-Pandemie nicht überlebt", sagt Hesse, der schätzt, dass es aktuell noch rund 3.000 Trinkhallen gibt. Die Konkurrenz durch Tankstellen und Discount-Supermärkte, die sich immer mehr ausbreiteten und immer länger geöffnet hätten, sei einfach zu groß. "Und für viele Menschen macht es eben einen Unterschied, ob die Pulle Bier 99 Cent kostet oder einen Euro zehn."

Trinkhallen haben auch eine soziale Komponente. Hier trifft man sich, hier tauscht man sich über den neuesten Klatsch und Tratsch aus. Hier finden einsame Menschen ein bisschen Gesellschaft und ein gewohntes Umfeld. "Diese Orte sterben im Ruhrgebiet aus. Genauso wie die Eckkneipen, aus denen Eigentumswohnungen gemacht werden", sagt Hesse.

"Seit 1954": Diese Trinkhalle in Dortmund-Dorstfeld gibt es bald 70 Jahre. Eingeführt wurden die Trinkhallen übrigens Ende des 19. Jahrhunderts von den großen Bergbaufirmen. Da man das Leitungswasser damals nicht trinken konnte, löschten viele Malocher ihren Durst nach der Schicht mit Bier und Schnaps.

Um dem wachsenden Alkoholismus entgegenzuwirken, ließen die Bergbaukonzerne in der Nähe der Zechen Trinkhallen aufstellen, in denen es sauberes Wasser, aber keinen Alkohol gab - daher auch der vielerorts gängige Spitzname "Seltersbude". Dass das Sortiment erweitert wurde und die Trinkhallen zu Kiosken wurden, in denen man - wie hier in Bochum-Weitmar - auch Zeitschriften, Zigaretten und Lebensmittel bekam, geschah laut Hesse erst in der Nachkriegszeit.

Der "Divan"-Kiosk im Zentrum Bochums lässt zumindest vom Namen her auf einen arabischstämmigen Betreiber schließen. Das wäre keine Ausnahme, sondern eher die Regel, glaubt Peter Hesse. Er schätzt, dass etwa 70 Prozent der Trinkhallen-Betreiber im Ruhrgebiet einen migrantischen Hintergrund haben.

Der Kunde auf diesem Bild vor einer Trinkhalle in Duisburg ist übrigens Peter Hesse selbst. Seine Ausstellung, die am Freitagabend eröffnet wird, ist noch bis Ende Januar im "Wuckenhof" in Schwerte zu sehen. Der Eintritt ist frei.

Stand: 08.12.2023, 11:02 Uhr