Protestcamp in Dortmunder Innenstadt gegen Wohnungslosigkeit

Stand: 01.02.2023, 08:33 Uhr

Mit einem einwöchigen Protestcamp in der Dortmunder Innenstadt macht eine Initiative seit Samstag auf das Thema Wohnungslosigkeit aufmerksam. Jetzt schaltet sich Oberbürgermeister Westphal ein.

Von David Peters

Die Initiative "Schlafen statt Strafen" wirft der Stadt vor, Obdachlose zu diskriminieren und gezielt aus der Stadt zu verdrängen. Thomas Westphal (SPD) wehrt sich nun dagegen: "Das freie Campieren und Übernachten auf unseren Straßen ist halt untersagt. [...] Wir verstehen die ganzen menschlichen Situationen dahinter, aber trotzdem müssen wir dafür sorgen, dass die öffentliche Ordnung stabil ist".

Die Einladung ins Protestcamp auf der Kampstraße in der Dortmunder Innenstadt will Westphal nicht annehmen. Der Oberbürgermeister sei aus terminlichen Gründen verhindert, so die Stadt. Er hat aber seinerseits die Initiative zu Gesprächen eingeladen.

Camp als Schutzraum für Obdachlose

Seit Samstag stehen mehrere Zelte des Protestcamps mitten in der Dortmunder Innenstadt. Rund 30 Menschen wollen zwischen dem Hauptbahnhof und dem Westenhellweg bis zum Wochenende auf der Straße leben. Wegen der kühlen Temperaturen haben sie sich mit Schlafsäcken, Isomatten und warmer Kleidung ausgestattet.

Sie wollen damit aber nicht "Obdachlosigkeit simulieren", betont Anna Flaake von "Schlafen statt Strafen". Ihnen geht es darum, auf das Thema aufmerksam zu machen. Zugleich soll das Camp aber auch einen kurzfristigen Schutzraum für Obdachlose bieten, so die Vorstellung der Organisatoren.

Situation für Obdachlose sei katastrophal

Anna Flaake ist die Sprecherin von der Initiative „Schlafen statt Strafen“. | Bildquelle: WDR/David Peters

"Die Situation ist für Obdachlose hier in Dortmund katastrophal", erzählt Flaake. "Es fehlen akzeptable und kostenlose Notunterkünfte für die geschätzt 900 Menschen ohne festen Wohnsitz in Dortmund." Ein wichtiges Anliegen des Camps sei es aber auch, nicht nur über Obdachlose, sondern auch mit ihnen zu sprechen. "Nur wenn wir den Menschen zuhören und ihre Wünsche und Bedürfnisse ernst nehmen, können wir das soziale Problem Wohnungslosigkeit wirksam lösen", so Flaake.

Qualität der Notunterkünfte muss dringend verbessert werden

Einer, der die Probleme auf der Straße gut kennt, ist Dirk Dymarski von der Selbstvertretung Wohnungsloser Menschen. Er war selbst fast 20 Jahre wohnungslos. Gerade die Notschlafstellen, in denen viele Obdachlose kurzfristig unterkommen, kritisiert er - auch die Unterkunft in der Dortmunder Unionstraße. "Die Unionstraße bietet wenigstens Betten an, aber guckt man sich andere Übernachtungsstellen an, wo man einfach nur auf der Isomatte pennen muss - also mit Menschenwürde hat das definitiv nichts zu tun." Auch die hygienischen Standards seien oft "katastrophal" berichtet Dymarski.

Die Initiative "Schlafen statt Strafen" fordert deswegen dringend eine Veränderung. Natürlich ist das nicht alles sofort umsetzbar, weiß auch Anna Flaake: "Kurzfristig wollen wir, dass die Notunterkünfte eine bessere Qualität bekommen. Langfristig wollen wir aber natürlich, dass jeder Mensch eine Wohnung hat." Als Beispiel nennt sie das Konzept "Housing First", bei dem Obdachlosen eine Wohnung zur Verfügung gestellt wird. Außerdem werden ihnen optionale weitere Hilfsangebote unterbreitet.

Initiative richtete sich gegen Vorstoß von Geschäftsleuten

Die Idee für "Schlafen statt Strafen" und auch ihr Protestcamp entstand im vergangenen Jahr, weil die Händlervereinigung "Cityring" einen privaten Sicherheitsdienst in der Innenstadt eingesetzt hatte. Grund dafür waren, laut Tobias Heitmann vom Cityring, Drogenabhängige, die Geschäftseingänge mit Spritzen und Fäkalien beschmutzt haben sollen.

Heitmann betont, dass sich diese Maßnahme nie gegen Obdachlose an sich gerichtet habe. Die Initiative "Schlafen statt Strafen" sah darin aber einen Vorstoß, um "obdachlose Menschen zu kriminalisieren und zu verdrängen." Der Sicherheitsdienst sei nach vier bis sechs Wochen wieder abgeschafft worden, so Heitmann.

Initiative wünscht Dialog mit Oberbürgermeister und Cityring-Chef

"Schlafen statt Strafen" hatte Heitmann, wie auch Oberbürgermeister Westphal, zum Protestcamp eingeladen. Heitmann hat die Einladung ebenfalls abgelehnt. Er sei zwar grundsätzlich zum Dialog bereit, befürchte aber, dass der im Zuge des Camps nicht auf Augenhöhe stattfinden würde. Zudem sei er im Zuge der Debatte mehrfach öffentlich beleidigt worden, so der Vorsitzende des Cityrings.

Dennoch sind sich sowohl "Schlafen statt Strafen", als auch ihr vermeintlicher Gegenspieler - Cityring-Chef Heitmann einig: Es brauche dringend mehr Wohnungen für Obdachlose. Die Stadt Dortmund hat signalisiert, dass man sich mit den Forderungen des Protestcamps auseinandersetzen wolle.