Nach Wahl in der Türkei: Gemischte Stimmung bei Deutschtürken in NRW

Stand: 15.05.2023, 19:03 Uhr

Die Beteiligung an der Präsidentschaftswahl in der Türkei hat Rekordwerte erreicht. Auch bei uns in NRW haben viele türkischstämmige Menschen das Ergebnis mit großer Spannung verfolgt.

Von Cordula Krell

Hupkonzerte, Autokorsos und wehende Fahnen - Szenen wie nach einem Fußballspiel in der Dortmunder Innenstadt. Dabei ging es um eine Wahl, deren Ergebnis zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal eindeutig feststand. Rund 100 türkischstämmige Menschen haben am Wall in Dortmund ohne größere Zwischenfälle gefeiert, die meisten von ihnen Anhänger des Noch- und Vielleicht-bald-wieder-Präsidenten Erdoğan.

Friedlicher Demonstrationszug in Duisburg

Auch in Duisburg-Hamborn zogen fast zeitgleich mehrere Dutzend Menschen durch die Innenstadt bis zum Rathaus und demonstrierten ihre Unterstützung für Präsident Recep Tayyip Erdoğan und dessen Partei AKP. Nach bisherigen Informationen blieb es friedlich. "Ich hätte eigentlich gewollt, dass die AKP eindeutig die Wahlen gewinnt. Es ist wie es ist, die Würfel sind gefallen. In zwei Wochen werden wir hoffentlich mindestens 54 Prozent haben", so ein Erdoğan-Anhänger, der anonym bleiben will.

Zu diesem Zeitpunkt - es ist gegen Mitternacht - sieht es noch so aus, als liege Erdoğan weit vor seinem Herausforderer Kemal Kiliçdaroğlu.

Es kommt zur Stichwahl

Einige Stunden später, am Montagnachmittag: Mittlerweile sind fast alle Stimmen ausgezählt, es wird eine Stichwahl zwischen Erdoğan und Kemal Kiliçdaroğlu geben. Beide Kandidaten liegen knapp unter der 50-Prozent-Marke.

Bei den Türkinnen und Türken, die in Deutschland gewählt haben, gibt es allerdings eine deutliche Mehrheit für Erdoğan. Nach Daten der türkischen Zeitung Yeni Şafak, die der Regierungspartei AKP nahesteht, entfielen im Generalkonsulat Essen besonders viele Stimmanteile auf den Amtsinhaber: Erdoğan erreichte dort 77,6 Prozent der Stimmen. Insgesamt stimmten 65,4 Prozent der Wahlberechtigten in Deutschland für den amtierenden Präsidenten.

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Menschen in NRW fiebern mit

Süleyman Günes ist in der Dortmunder Nordstadt auf dem Weg zur Arbeit. In diesem Stadtteil ist der Anteil von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte hoch, es gibt sehr viele türkische Geschäfte. In einem davon hat er sich gerade Frühstück geholt. Er hat die Wahl natürlich verfolgt und auch gewählt. Er ist einer der 1,5 Millionen Menschen in Deutschland mit türkischem Pass. Günes lebt zwar in Dortmund, hat aber Geschwister in der Türkei. Er ist sich sicher, dass Erdoğan das Rennen machen wird. "Ich will das nicht, aber es wird so kommen", meint er.

Vorwurf der Wahlmanipulation

"Er hat gut geklaut, macht er seit 20 Jahren", sagt Günes. Ein Verdacht, mit dem er nicht allein ist. Bereits am Vorabend wurden Stimmen laut, dass die Wahl nicht mit rechten Dingen abgelaufen sei. Belege gibt es dafür bisher nicht.

Hoffnung: "Erdoğan wird bestimmt vernünftiger"

Orhan Karakus in seinem Kiosk | Bildquelle: WDR / Cordula Krell

Ein paar Meter weiter betreibt Orhan Karakus einen Kiosk. Die Wahl hat er natürlich in der Nacht verfolgt, neben der Arbeit, auch wenn er selbst nicht wählen durfte, weil er nicht die türkische Staatsangehörigkeit hat. Auch bei seinen Kunden sei das natürlich Thema. Er selbst glaubt, dass Erdoğan gewinnen wird. Aber er ist optimistisch. "Es wird besser, er wird mehr tun für die Leute. Er wird bestimmt vernünftiger," hofft er.

Mit Stimme die Rechte der Kurden stärken

Ferat Özleme | Bildquelle: WDR / Cordula Krell

Ferat Özleme sitzt mit einem Kollegen vor dem Café, in dem er arbeitet. Er ist Kurde und will mit seiner Stimme für Erdoğans Konkurrenten die kurdischen Rechte stärken. Mit dem starken Ergebnis für Erdoğan ist der 33-Jährige nicht glücklich. "Ich bin überrascht, ich hätte nicht gedacht, dass Erdoğan so viele Stimmen holt".

Seiner Familie, die im Süden der Türkei lebt und zur kurdischen Minderheit gehört, gehe es dort nicht gut. Die Kurden werden unterdrückt, erzählt er. Er selbst ist seit sechs Jahren in Deutschland und will hier bleiben. "Weil es in Deutschland Freiheit gibt. Hier können wir reden, in der Türkei gibt es keine Freiheit für Denken, Religion, die kurdische Kultur." Für den Fall, dass Erdoğan in eine weitere Amtszeit geht, fürchtet Özleme Unruhen.