Absperrbänder gibt es nirgends, aber zahlreiche Menschen in blauen Overalls verraten, dass hier in der Wohnsiedlung neben der Zeche Heinrich Robert in Hamm etwas passiert sein muss. Die Blaumänner sammeln graue verbrannte Fetzen vom Boden und stecken sie in große weiße Plastiksäcke. Darauf steht in leuchtend roter Schrift: "Achtung, enthält Asbest".
Die Partikel liegen überall im Laub verteilt und in den Büschen, auch auf den Grundstücken der Menschen, die hier wohnen. "Meine Tochter war während des Brands zuhause und die Fenster waren offen. Sie hat nur einen Knall gehört. Dann hat sie mich direkt angerufen und gemeint: Irgendetwas stimmt nicht", sagt Anwohnerin Valbone Beka hat den Großbrand am Montag aus nächster Nähe miterlebt.
Betretungsverbot für sieben Grundstücke wegen Asbest
Der alte Kühlturm des ehemaligen Bergwerksgelände stand vollständig in Flammen. Dabei wurden asbesthaltige Bruchstücke um das Gelände herum verweht. Die westlich an die Zeche angrenzende Nachbarschaft von Velbone Beka ist besonders von der Verschmutzung betroffen. Für sieben Grundstücke und Gebäude wurde deshalb ein Betretungsverbot ausgesprochen. Davon sind insgesamt 24 Personen betroffen.
Eine davon ist Valbone Beka, die hier mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in einem Haus wohnt. Das dürfen sie seit Dienstag nicht mehr betreten. Dort werden jetzt erstmal Proben entnommen. "Leider durften wir nur ganz wenige Sachen mitnehmen. Ich habe noch ein paar Medikamente drin gelassen. Heute Morgen wollte ich deshalb nochmal reingehen, aber es wurde gesagt, wir dürfen nicht."
Evakuierung erst einen Tag später
Valbone Beka und ihre Familie wurden zum Schutz vor den Asbestpartikeln in einer bereitgestellten Unterkunft untergebracht. In Sicherheit gebracht wurden sie jedoch erst am Dienstag, obwohl der Brand am Montagnachmittag stattfand und schon am Montagabend asbesthaltige Bruchstücke festgestellt wurden. Die erste Nacht nach dem Großbrand haben sie also noch im Haus verbracht. "In der Nacht habe ich nicht gut geschlafen. Ich hatte direkt Halsschmerzen und meine Nase war zu. Da hatte ich ehrlich zu sagen zu viel Angst zu schlafen, weil wir nicht wussten, was los ist", sagt die Anwohnerin.
Valbone Bekas Schwager Naim Beka wohnt ebenfalls in der Nachbarschaft. Auch das Haus seiner Familie wurde evakuiert. "Hauptsache wir sind weg, aber wir vermuten, dass das hier etwas ganz ernstes ist", sagt Naim Beka. Die Ungewissheit scheint Familie Beka und viele andere Nachbarn am meisten zu beschäftigen.
Genaues Vorgehen unklar Ein Anwohner, der anonym bleiben will, ist seit Dienstag von der Evakuierungsmaßnahme aus seinem Haus betroffen. Er zeigt auf Brandüberreste in einem Teil seines Gartens, der bereits gereinigt wurde. Dabei trägt er eine Atemschutzmaske. "Das hat mich natürlich gefreut, dass direkt was unternommen wird. Ich habe dann allerdings gesehen, dass hier immer noch Partikel liegen. Scheint also erstmal eine Grobreinigung zu sein." Dass es Aufräumarbeiten geben wird, wurde ihm zwar angekündigt. Wie genau dabei vorgegangen wird, jedoch nicht.
Reste liegen auch auf den Dächern, in den Regenrinnen und unter den Motorhauben der Autos. "Ich weiß, dass in der Nachbarschaft diverse Kinder sind, da glaube ich nicht, dass das ausreicht. Zumindest wenn Partikel noch mit bloßem Auge zu erkennen sind. Und wir reden hier über Asbest – die Fasern haben wir noch gar nicht betrachtet."
Anwohner haben mulmige Gefühle
In ihren Häusern wurden Luft- und Wischproben entnommen. Ergebnisse liegen noch nicht vor. Die Rückkehr von der Notunterkunft ins eigene Zuhause wird trotzdem sehnsüchtig erwartet: "Man wird sich natürlich sehr freuen. Man schläft wieder in seinem eigenen Bett, kann seine eigene Küche nutzen, hat sein Badezimmer. Gleichzeitig mache ich mir weitere Gedanken. Kann ich bedenkenlos lüften?"
Mit seinen Bedenken ist der Anwohner nicht alleine. Die Nachbarschaft tauscht sich aus. Ein anderer Anwohner berichtet: "Das Gute ist, dass wir in unserer Nachbarschaft schon seit Jahren ein sehr gutes Verhältnis pflegen. Deshalb war für uns relativ schnell klar, dass wir eine Bürgerinitiative gründen, um ein gemeinsames, gesichertes Vorgehen zu haben und um unsere Rechte zu wahren." Der Brand im Kühlturm der Zeche Heinrich Robert hat in der Nachbarschaft nicht nur äußerlich Spuren hinterlassen.
"Betretungsverbot zum Schutz der Bewohner"
Die Stadt Hamm teilt am Donnerstagabend mit, dass das Betretungsverbot zum Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner angeordnet wurde. "Wir tun alles dafür, damit die Betroffenen so schnell wie möglich wieder zurück in ihre Wohnungen können", sagte Umweltdezernent Volker Burgard. Dafür brauche es aber die Freigabe der Fachexperten, es werde unter Hochdruck an der Beprobung und Reinigung der angrenzenden Wohngrundstücke gearbeitet. Erst danach geht es laut Stadt es an die Säuberungsarbeiten auf dem alten Bergwerksgelände.
Unsere Quellen:
- Reporterin vor Ort
- Anwohner in Hamm
- Stadt Hamm
Über dieses Thema berichtet der WDR am 07.11.2024 auch im WDR Fernsehen in der Lokalzeit aus Dortmund.