Wir treffen den 84-Jährigen zusammen mit seiner Enkelin Margarita (27) vor der Synagoge Bochum. Margarita ist nach ihrer Großtante benannt. Die wurde im Ghetto Minsk ermordet. Dass ihr Opa Felix Lipski die Hölle trotz des Massenmordes dort überlebte: mehr als ein Wunder.
Enkeltochter unterstützt Erinnerungsarbeit
Der ehemalige Chirurg macht einen lässigen Eindruck mit seiner Basecap. Die tauscht er in der Synagoge gegen die Kippa. Er lacht viel, in jedem Augenblick blitzt sein Humor durch. "Mein Großvater hat viel erlebt und ich unterstütze ihn bei seiner Erinnerungsarbeit." Felix Lipski ist der letzte Zeitzeuge der Gemeinde, der gesundheitlich noch in der Lage ist, öffentlich über die Shoa zu sprechen.
"Der Hunger und die ständige Angst waren das Schlimmste"
Im Juli 1941 ist er gerade drei Jahre als er mit seiner Mutter und 60.000 anderen Juden ins Ghetto der Stadt gesperrt wird. Seuchen und ständige Razzien, bei denen Bewohner zu Tausenden erschossen werden, gehören zum Alltag bis zur Befreiung 1944 .
"An einem Tag wurden alle Waisenhaus-Kinder zu einer Grube geführt und getötet. Ich fragte meine Mutter, warum alle Kinder weiß sind. Es war der frische Schnee." Wichtig waren Verstecke, um bei den Razzien nicht von SS-Leuten erschossen zu werden. "Wir haben in einem Raum mit vielen Leuten im Hochsommer tagelang gewartet. Man hat uns aus der Not Urin zu Trinken gegeben."
Mobile Gaskammern
Einmal sei er mit seiner Mutter dem Tod durch Vergasen entkommen. Sie waren von den SS-Leuten schon zu einem der mobilen "Gaswagen" - umgebaute LKW - geführt worden. Im letzten Augenblick habe jemand die Soldaten abgelenkt, sie konnten fliehen. "Ich hatte die Hosen voll", sagt Lipski. Die Gaswagen pendelten zum Minsker Vernichtungslager, wo die Leichen verscharrt wurden.
Felix Lipskis Mutter schloss sich früh den Partisanen in den Wäldern bei Minsk an. "Es war die einzige Chance, dem Tod zu entkommen - etwas tun, um das Grauen zu beenden", sagt Margarita zur Entscheidung der Ur-Großmutter. Ihr Opa Felix Lipski engagiert sich bis heute, um die Erinnerung an das Grauen im Ghetto wach zu halten. Auch, wenn er bis heute mit den Tränen kämpft, wenn er sich an all das Leid dort erinnert.
Über dieses Thema berichten wir auch im WDR-Fernsehen am 27. Januar: Lokalzeit Ruhr, 19:30 Uhr.