Chatnachrichten einer Polizistin im Fall Dramé: "Man hätte ein paar Sachen anders machen können"

Stand: 13.03.2024, 16:31 Uhr

Im Prozess um die tödlichen Schüsse auf Mouhamed Dramé in der Dortmunder Nordstadt haben zwei Kommissaranwärter als Zeugen ausgesagt. Sie waren an dem Tag mit den angeklagten Polizisten auf Streife.

Von David Peters

Der 22-jährige Kommissaranwärter und die 24-jährige Kommissaranwärterin waren im August 2022 zusammen mit vier der angeklagten Polizistinnen und Polizisten unterwegs und sollten erste praktische Erfahrungen im Streifendienst sammeln.

Sie alle wurden zu der Jugendeinrichtung gerufen, in deren Innenhof der 16-jährige Mouhamed Dramé mit einem Messer saß. Die Polizisten hätten den Hinweis bekommen, dass ein junger Mann sich selbst mit einem Messer bedrohe und wohl suizidale Absichten habe, schildert der Kommissaranwärter den Einsatzverlauf.

Was den grundlegenden Ablauf angeht, unterschied sich die Aussage des 22-Jährigen nicht von der, der bisher gehörten Zeugen.

Der angeklagte Dienstgruppenleiter hätte den Pfeffersprayeinsatz gegen Dramé angeordnet, der sei aufgestanden, habe sich schnell auf die Polizisten zubewegt - das Messer, dass er vorher gegen sich selbst gerichtet hatte, in der Hand. Dann wären die Schüsse aus den Tasern und der Maschinenpistole gefallen.

Kommissaranwärter fühlte sich bedroht

Wie genau Dramé das Messer gehalten habe, daran konnte sich der Kommissaranwärter nicht erinnern. Es wäre ihm aber aufgefallen, wenn das Messer in Richtung der Einsatzkräfte gerichtet gewesen wäre. Er selbst habe sich trotzdem bedroht gefühlt.

Anwärter: Dramé sei gebeugt auf die Einsatzkräfte zugelaufen

Beide Kommissaranwärter sagten aus, dass Mouhamed Dramé nach dem Pfeffersprayeinsatz in gebeugter Haltung auf die Polizisten zugelaufen wäre. Bei ihrer polizeilichen Vernehmung hatte die Kommissaranwärterin noch ausgesagt, dass Dramé "mit gebeugtem Oberkörper wegging" - also nicht gelaufen sei.

Akten der Nebenklage, die aus den Chatnachrichten einer der Angeklagten zitierte. | Bildquelle: WDR / Peters

Während der Befragung des Kommissaranwärters durch die Anwälte der Nebenklage und der Staatsanwaltschaft ging es auch um die Frage, ob man den Einsatz anders hätte lösen können. Der Zeuge gab darauf an, dass er damals als Kommissaranwärter nicht über die entsprechende Erfahrung verfügt habe: "Da gibt's Kollegen, die 20 Jahre auf der Straße sind, die wissen das wesentlich besser."

Wohl Zweifel an der Einsatztaktik bei einer der Angeklagten

In dem Zusammenhang wurden von der Nebenklage Chatnachrichten einer der angeklagten Polizistinnen vorgelesen. Sie soll Dramé kurz vor den tödlichen Schüssen mit einem Taser getroffen haben und ist wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt.

In den Sprachnachrichten äußerte sie offenbar Zweifel am Vorgehen in diesem Einsatz: "Man hätte ein paar Sachen anders machen können" und "hätte man nicht eine andere Taktik wählen können?"

Alle Polizisten waren in der Wache Nord eingesetzt | Bildquelle: WDR / Christof Voigt

Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens gab es aber wohl nicht: "Es macht sich keiner Sorgen, dass da die Rechtmäßigkeit in Frage gestellt werden könnte." In der Anklage gegen die Polizistinnen und Polizisten der Wache Nord wird ebendiese Rechtmäßigkeit angezweifelt. Bis zu einem Urteil gilt die Unschuldsvermutung.

Polizisten wollen Aussagen nicht abgesprochen haben

Alle im Prozess bisher gehörten Polizisten - auch die beiden Kommissaranwärter - hatten angegeben, dass man zwar nach dem Einsatz darüber gesprochen habe, wie es jedem einzelnen mit der Situation gehe, das seien aber keine Gespräche über die gewählte Einsatztaktik gewesen. Man habe sich also auch nicht wegen möglicher Zeugenaussagen abgesprochen, so der 22-Jährige.

Unsere Quellen:

  • WDR-Reporter im Gerichtssaal
  • Anklage der Staatsanwaltschaft
  • Zeugenaussagen im Gericht