In die Operationssäle der Bonner Uniklinik ist eine Person mehr eingezogen: Auf den Bildschirmen der Narkoseärzte erscheint ein Figur, die aussieht wie ein Lebkuchenmann. Das Strichmännchen scheint zu atmen, hat die Augen mal geschlossen oder geöffnet, wenn es ihm schlecht geht, verfärbt es sich. Es ist das digitale Abbild des Patienten, der gerade operiert wird.
Das Universitätsklinikum Bonn (UKB) setzt als weltweit erstes Klinikum den "Visual Patient Avatar" kommerziell ein. Das Strichmännchen soll helfen, dass weniger Fehler während Operationen passieren, wenn der Anästhesist unter hohem Zeitdruck Entscheidungen treffen muss.
Idee stammt aus der Luftfahrt
Entwickelt haben den Avatar zwei Mediziner des Universitätsspitals Zürich. Die Idee stammt aus der Luftfahrt. Dort sind längst Geräte im Einsatz, die dem Piloten eine 3D-Ansicht der Umgebung mit allen wichtigen Informationen anzeigen. Im OP sieht man dagegen Zackenlinien und Zahlenreihen für Puls, Blutdruck, Temperatur oder Atmung.
Der Anästhesist muss sie erst interpretieren, um zu wissen, wie es dem Patienten geht. Entwickler David Tscholl ist selbst Anästhesist am Universitätsspital Zürich und kennt das Problem: "Sie können pro Sekunde eine Nummer erfassen und wenn Sie bei der vierten oder fünften angekommen sind, haben sie schon die erste vergessen."
Zustand des Patienten leichter zu erkennen
Der Avatar fasst 14 Werte auf einmal zusammen: Ist die Körpertemperatur zu niedrig, erscheinen Schneeflocken, bei zu wenig Sauerstoff läuft der Avatar lila an und bei zu hohem Blutdruck platzt er fast.
Fachkrankenschwester Anna Laue fand das am Anfang ungewohnt, nach vier Monaten im Einsatz ist der Avatar in der Neurochirurgie aber Routine: "Ich glaube, dass das im Kopf anders verarbeitet wird, wenn ich eine Symptomatik angezeigt bekomme und sehe, was das mit dem Männchen macht. Ich habe das schneller im Blick als einen Wert."
18 Systeme hat die Uniklinik aktuell im Einsatz in der Neurochirurgie, das Eltern-Kind-Zentrum soll als nächstes den Avatar bekommen, um die Arbeit der Anästhesisten zu unterstützen.
Über dieses Thema haben wir am 14.11.2023 in der Lokalzeit auf WDR 2 und im WDR Fernsehen berichtet.