Wer in den Bussen und Bahnen der Bonner Stadtwerke ohne gültiges Ticket erwischt wird, muss bald wohl nicht mehr damit rechnen, deshalb auch Post von der Polizei zu bekommen.
Zwar gibt es weiterhin eine Strafe über 60 Euro, wenn man ohne Fahrschein erwischt wird. Aber der Mobilitätsausschuss der Stadt Bonn hat beschlossen, dass die Stadtwerke in Zukunft auf eine Strafanzeige verzichten sollen.
Strafverfolgung sei "stigmatisierend"
Den Anstoß zu dem Beschluss hat der Verein Stadtstreifen aus Bonn gegeben: Im vergangenen Jahr haben seine Vertreter einen Bürgerantrag gestellt, dass die Stadtwerke zukünftig auf Strafanzeigen verzichten sollen.
"Zum Beispiel ein Parkverstoß ist ja auch nur eine Ordnungswidrigkeit. Aber das Erschleichen von Beförderungsleistungen wird als Straftat geführt. Das ist für die Menschen auch extrem stigmatisierend", sagte Madalena Sattler vom Verein damals im WDR.
Die Strafverfolgung treffe vor allem Menschen, sie sich kein Ticket leisten könnten. Außerdem sei die Bearbeitung der Anzeigen teuer.
Mehr als 1000 Anzeigen pro Jahr
Bisher haben die Stadtwerke die Wahl, ob sie Fahrgäste ohne gültigen Fahrschein auch bei der Polizei anzeigen. In der Regel stellen sie nur das sogenannte "erhöhte Beförderungsentgeld" aus, eine Art Bußgeld. Anzeigen gebe es häufig nur bei Wiederholungstätern, oder wenn jemand bei der Kontrolle besonders negativ auffalle.
Zwischen den Jahren 2017 und 2024 haben die Stadtwerke deshalb rund 9000 Strafanzeigen gestellt, also im Schnitt rund 1300 pro Jahr. Auch deshalb haben die Stadtwerke die Idee schon im vergangenen Jahr abgelehnt. Der mögliche finanzielle Schaden sei zu hoch.
Auch der Verkehrsverbund Rhein-Sieg sieht den Verzicht auf die Strafverfolgung kritisch. In einer Stellungnahme für den Mobilitätsausschuss vergleicht der VRS das Fahren ohne Ticket mit Diebstahl im Einzelhandel.
Ohne eine mögliche Strafverfolgung könnten sich mehr Menschen dazu ermutigt fühlen, ohne gültiges Ticket in die Busse und Bahnen einzusteigen: "In der Folge könnten Einnahmeverluste im ÖPNV entstehen, die wiederum zu erhöhten Ticketpreisen oder erhöhten Verlustausgleichszahlungen führen."
Der VRS fordert stattdessen, günstige Tarife und Sozialtickets, um den ÖPNV für alle erschwinglich zu halten.
In anderen Städten gibt es eine ähnliche Regelung bereits. Etwa in Köln, wo der Stadtrat einen entsprechenden Beschluss vor rund einem Jahr gefasst hat. Oder auch in Düsseldorf, wo die Regel schon seit eineinhalb Jahre gilt.
Jetzt muss der Stadtrat entscheiden
Auch bundesweit wird immer wieder darüber diskutiert, ob das Fahren ohne Fahrerlaubnis nicht straffrei sein sollte. So könnte zum Beispiel auch keine Gefängnisstrafe mehr drohen, wenn man das Bußgeld nicht zahlen könne. Laut Schätzungen der Uni Köln trifft das jährlich tausende Menschen - vor allem Ärmere, die sich ein Ticket, aber auch die Strafe nicht leisten könnten.
Recherchen des Magazins Monitor haben ergeben, dass diese sogenannten "Ersatzfreiheitsstrafen" den Staat jährlich rund 200 Millionen Euro kosten.
Ob der Beschluss des Mobilitätsausschusses auch tatsächlich umgesetzt wird, ist aber noch nicht ganz sicher. Der Stadtrat muss in einer seiner nächsten Sitzungen noch final darüber entscheiden.
Unsere Quellen:
- WDR-Recherche
- Mobilitätsausschuss der Stadt Bonn
- Verkehrsverbund Rhein-Sieg
Über das Thema berichten wir am 23.01.2025 auch im Fernsehen in der Lokalzeit aus Bonn.