Barfuß humpelt ein offensichtlich berauschter Mann mit glasigen Augen in Richtung Neumarkt über den kalten Asphalt. Wenige Meter weiter, auf dem Platz vor der Baustelle der Zentralbibliothek, trifft man kaum noch auf Passanten, die nicht aus der Drogenszene kommen. Die einen rauchen Crack offen auf einer Parkbank, andere schlurfen über den Platz und suchen auf dem dreckigen Boden nach verwertbaren Resten.
Alles in Sichtweite von Mehmet Kizil. Seit 14 Jahren betreibt er am Josef-Haubrich-Hof eine kleine Bäckerei. Weil die Drogenszene um seinen Laden immer sichtbarer und extremer geworden ist, will er seinen Laden Ende Februar aufgeben: "Jedes Mal, wenn ich aus dem Fenster gucke, sehe ich sie. Sie kommen rein, benehmen sich nicht und wollen einen Euro von mir. Die Stadt macht nichts. Es ist eine Katastrophe."
Junkies nutzen Ladeneingänge
Wenn es dunkel wird, verwandelt sich auch der überdachte Ladeneingang von Walter Schuch wenige Meter weiter häufig in eine Art Hotel für Junkies. "Da wird nachts gedealt, da wird sich geprügelt, da findet Prostitution statt", berichtet Schuch. "Die Ecken im Umfeld werden als Toiletten genutzt."
Die Situation macht den engagierten Geschäftsmann traurig und wütend. "Ich habe Mitleid mit den Leuten. Denn ich möchte keinen Tag so leben, wie die leben. Und Wut habe ich, dass die Stadt es nicht hinbekommt, gezielt etwas an der Situation zu ändern."
Manchmal muss er morgens die Polizei rufen, um bis zu zehn berauschte Konsumenten samt Schlaflager vor seinem Sanitätshaus zu vertreiben. Für seine Mitarbeiter und Reinigungskräfte sei das zu gefährlich.
Selbst andere Junkies fühlen sich unwohl
Eine Straßenecke weiter liegen die Substitutionsambulanz der Drogenhilfe und ein Konsumraum des Gesundheitsamtes. Direkt daneben begegnen wir Anna (Name von der Redaktion geändert), die dort seit 15 Jahren Heroin und Kokain nimmt. Mit ins Gesicht gezogener Kapuze und unruhigem Blick erzählt sie, dass die Situation rund um den Neumarkt jeden Monat schlimmer wird: "Ich fühle mich hier nicht mehr wohl unter meinen eigenen Leuten. Die Junkerei auf der Straße: Das geht gar nicht! Ich finde das unmöglich vor den Kindern. Ich selbst als Junkie finde das total asozial."
Die Kölner Drogenhilfe bestätigt, dass viele in den vergangenen Jahren von Crack abhängig geworden sind. Eine Entwicklung, die auch Anna Angst macht: "Der Crack-Konsum ist extrem. Die Leute sind aggro. Wenn du Heroin nimmst, hast du drei bis vier Stunden deine Ruhe und beim Crack willst du alle fünf Minuten."
Wenig Hoffnung trotz Bürgerinitiativen
Weil sie sich nachts nicht mehr sicher gefühlt haben, haben zwei Mitarbeiterinnen des alteingesessenen Gulaschrestaurants in der Nähe schon gekündigt. Verständlich findet Gastronomin V. Sardes: "Vor der Türe wird gedealt. Wenn man hier rausgeht abends kann man schon Angst kriegen."
Zwar setzt sich die Bürgerinitiative Neumarkt schon seit Jahren bei der Stadt dafür ein, dass etwas dagegen getan wird. Doch auch ein weiterer offener Brief in dem entschlossenes Handeln gefordert wird, gibt der pragmatischen Gastronomin keine Hoffnung. "Fast jeden Tag müssen wir den Junkies vor unserer Türe hinterherputzen", sagt sie und zeigt auf ihrem Handy Fotos von Kothaufen, die dort zurückgelassen wurden.
"Wenn es wirklich schlimm ist und Junkies das Personal oder Gäste belästigen, rufen wir die Polizei an." Die habe den Anwohnern für solche Fälle bereits eine eigene Rufnummer durchgegeben.
Unsere Quellen:
- Reporter vor Ort
- Drogenhilfe Köln
- Bürgerinitiative Neumarkt