Im Norden von Köln, nahe des Rheins, befindet sich eine Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete. Hier finden Geflüchtete vorübergehend Unterkunft. Journalistinnen und Journalisten ist der Zutritt in die Anlage nicht gestattet. Der Eingangsbereich wirkt lebendig, Menschen kommen und gehen.
Vor der Einrichtung stehen zwei Brüder aus Syrien: Ahmad und Karim. Seit drei Monaten leben sie mit ihrer Familie hier, nachdem sie vor dem Krieg geflüchtet sind.
Bedenken wegen der Einkaufsmöglichkeiten
Ahmad kann ein bißchen Deutsch verstehen. Er zeigt sich überrascht, als das Thema der geplanten Bezahlkarte angesprochen wird: "Nein, davon habe ich noch nichts gehört. Aber vielleicht macht es Sinn, denn so wird das Geld nicht gestohlen." Sein jüngerer Bruder Karim hingegen äußert Bedenken: "Manchmal braucht man Bargeld, um Dinge zu kaufen, die man nicht in großen Supermärkten findet."
Einige Meter weiter unterhalten sich drei Frauen auf Persisch: Eine Mutter mit ihrer Tochter, Fatima genannt, und eine junge Frau, die zwei kleine Kinder bei sich hat. Sie kommen aus Afghanistan und sind erst ein paar Wochen in der Einrichtung angekommen. Die Mutter äußert Bedenken zur Bezahlkarte. "Ich habe gehört, dass man damit nicht überall einkaufen kann. Das ist ein Problem."
Der Shanbi-Bazar, ein Flohmarkt in Köln Porz, ist für viele Geflüchtete eine wichtige Einkaufsquelle. Ihre Tochter Fatima, eine junge Frau in Jeans und Kopftuch, ergänzt: "Ich würde mich schämen, wenn andere sehen, dass ich so eine Karte benutze. Es zeigt, dass man arm ist."
Ihre Worte spiegeln eine Sorge wider, die hier viele teilen: Nicht nur die Einschränkungen bei der Nutzung, sondern auch die damit verbundene soziale Stigmatisierung belastet die Betroffenen.
Ziele und Einschränkungen der Bezahlkarte
Die geplante Einführung der Bezahlkarte, die ab Januar 2025 in Landesunterkünften wie dieser umgesetzt werden soll, sorgt nicht nur hier, sondern auch in der Politik für gemischte Reaktionen. Ziel der Karte ist es, den Bargeldbedarf von Geflüchteten zu verringern und Geldüberweisungen ins Ausland zu unterbinden. Monatlich können bis zu 50 Euro Bargeld von der Karte abgehoben werden, während Supermärkte und Drogerien als Hauptnutzerstellen vorgesehen sind.
Eine weitere afghanische Familie, die in einem Hotel in Dellbrück untergebracht ist, verfolgt ebenfalls die Diskussion. Die Mutter Karimi fragt sich: "200 Euro im Monat reichen kaum zum Leben. Wie soll man davon Geld ins Ausland schicken? Wer Geld schickt, arbeitet. Vom Sozialgeld geht das gar nicht."
Besonders die Einschränkungen bei der Nutzung der Karte sorgen für Unmut. Viele befürchten, dass sie das Leben unnötig komplizieren könnte.
Politische Kontroversen
Auch die Politik ist gespalten. Befürworter sehen in der Karte eine Möglichkeit, die Verwaltung zu vereinfachen und Missbrauch vorzubeugen. Kritiker wie die Grünen und die Linke argumentieren hingegen, dass die Maßnahme Geflüchtete stigmatisiere und eine unnötige Doppelstruktur schaffe.
Die Landesregierung plant, die Karte zunächst in Landesunterkünften einzuführen. Kommunen können sich später anschließen – oder auch nicht. Doch genau diese "Opt-Out"-Regelung sorgt für einen "Flickenteppich", den viele kritisieren. Viele befürchten, dass dadurch ein uneinheitliches System entsteht, das eine gerechte Behandlung der Betroffenen erschwert.
NRW-Flüchtlingsministerin Josefine Paul (Grüne) erklärte vor kurzem gegenüber dem WDR, dass die Einführung der Karte keine zusätzlichen Kosten für die Kommunen verursache: "Die Kosten trägt das Land, und die erforderlichen Mittel sind im Haushalt eingeplant." Dennoch bleibt unklar, wie viele Kommunen das System übernehmen werden, was die flächendeckende Umsetzung weiter erschwert.
Unsicherheit bleibt
Für viele Geflüchtete bleibt unklar, wie sich ihr Alltag durch die Einführung der Bezahlkarte verändern wird. Einige sehen darin einen pragmatischen Ansatz, andere fühlen sich weiter in ihrer Autonomie eingeschränkt. "Wir sind dankbar für die Sicherheit hier. Und wir hoffen, dass wir bald unser eigenes Geld verdienen können – ohne Karte, ohne Einschränkungen", sagt die afghanische Mutter zum Schluss des Gesprächs.
Unsere Quellen:
- WDR-Recherchen
- Reporterin vor Ort
Über dieses Thema berichten wir auch im WDR Fernsehen.