Obwohl Anfang März eigentlich schon alles klar schien, wurde es doch noch ein zähes Ringen um das Rentenpaket II. Federführend für die Reform sind das Bundesarbeits- und das Bundesfinanzministerium. Hubertus Heil (SPD) und Christian Lindner (FDP) hatten die Pläne gemeinsam verkündet - und darüber dann doch wieder gestritten.
Nun hat das Bundeskabinett am Mittwoch einen Gesetzesentwurf beschlossen, der offenbar beide Bundesminister halbwegs zufriedenstellt.
Was ist das Ziel des Rentenpakets II?
Es geht um zwei Ziele: Die Renten sollen künftig weiter im Einklang mit den Löhnen in Deutschland steigen. Dafür soll das Rentenniveau von 48 Prozent bis mindestens 2039 gehalten werden. Es sagt aus, wie sich die Renten im Verhältnis zu den Einkommen entwickeln.
Zum anderen will die Regierung aus Bundesmitteln ein sogenanntes Generationenkapital aufbauen - also Geld auf dem Aktienmarkt anlegen. Dafür soll der Staat Kredite aufnehmen. Der Gewinn soll ab 2036 in die Rentenkasse fließen.
Was ist das Rentenniveau genau?
Auch wenn es auf den ersten Blick so wirkt: Das Rentenniveau ist keine Schablone dafür, wie viel ich als Einzelperson bekomme. Liegt das Rentenniveau beispielsweise bei 50 Prozent, bedeutet das nicht, dass ich automatisch die Hälfte von meinem letzten Brutto- oder Nettogehalt bekomme.
Das Rentenniveau ist ein statistischer Wert. Es geht von einer Durchschnittsperson aus, dem sogenannten Standard-Rentner. Der hat 45 Jahre lang gearbeitet und währenddessen genau das deutsche Durchschnittsgehalt verdient und darauf volle Rentenbeiträge bezahlt.
Die Rente dieses Standard-Rentners wird dann ins Verhältnis zum deutschen Durchschnittseinkommen gesetzt. Läge das Rentenniveau bei 50 Prozent, wäre die Rente des Standard-Rentners halb so hoch wie das Durchschnittseinkommen.
45 Jahre lang das Durchschnittsgehalt erwirtschaften - das ist für viele Menschen nicht realistisch. Die tatsächliche Rente ist also häufig niedriger als Rentenniveau.
Wozu soll das "Generationenkapital" dienen?
Mit den Zinserträgen des "Generationenkapitals" soll der erwartete künftige Anstieg der Rentenbeiträge gedämpft werden.
Das "Generationenkapital" reicht allerdings nicht, um die Rentenbeiträge ganz stabil zu halten. Nach den Zahlen des Bundesarbeitsministeriums wird der Beitragssatz, den Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam zahlen, auf 22,3 Prozent vom Bruttolohn steigen. Derzeit liegt er bei 18,6 Prozent.
Was bedeutet das Rentenpaket II für die junge Generation?
"Relativ klar ist, dass das Rentenpaket für die junge Generation eine höhere Belastung bedeutet", sagte Wolfgang Landmesser von der WDR-Wirtschaftsredaktion am Mittwoch. "Mit dem Rentenpaket II wird der in der Regierungszeit von Gerhard Schröder beschlossene Nachhaltigkeitsfaktor ausgehebelt, wonach die Rentenhöhe nicht automatisch mit den Löhnen steigt, sondern stärker an das Verhältnis von Rentnern und Beitragszahlern gekoppelt ist. Rentenerhöhungen würden dadurch in den kommenden Jahren geringer ausfallen."
Das führt nach Einschätzung von WDR-Redakteur Landmesser zu höheren Zuschüssen aus dem Staatshaushalt und/oder höheren Rentenbeiträgen. Mit Folgen für die junge Generation: "Beide Kostenblöcke betreffen vor allem die Generation, die im Arbeitsleben steht."
Hintergrund dafür sei der demografische Wandel: "Wegen der Alterung der Gesellschaft wird die arbeitende Bevölkerung immer mehr Rentnerinnen und Rentner versorgen müssen." Auf den sogenannten Generationenvertrag sei die gesetzliche Rente aufgebaut.
Wie bewerten die "Wirtschaftsweisen" das Paket?
Die Chefin der "Wirtschaftsweisen", Monika Schnitzer, kritisiert die Pläne scharf. Das Rentenpaket II sei "nicht generationengerecht und schon gar nicht der benötigte große Wurf, um das Rentensystem langfristig zu stabilisieren", sagte die Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in der Mittwochsausgabe der "Rheinischen Post".
Die Zugeständnisse an die Rentnerinnen und Rentner gingen vollständig zulasten der jüngeren Generationen, "die bereits in absehbarer Zeit mit steigenden Sozialabgaben zur Pflege- und Krankenversicherung belastet werden." Auch das "Generationenkapital" werde das Rentensystem nicht wesentlich entlasten.
Welche Vorschläge machen die "Wirtschaftsweisen"?
Im WDR5 Morgenecho nannte die "Wirtschaftsweise" Veronika Grimm am Mittwoch drei Punkte, die der Sachverständigenrat gemacht hat.
Zunächst müsse das Rentenalter an die höhere Lebenserwartung gekoppelt werden. "Wenn die Leute erwartungsgemäß älter werden, dass man dann auch später in die Rente eintritt." Damit werde das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Rentner konstant gehalten. Außerdem sollten die Rentenanstiege begrenzt werden, indem die Renten nicht mehr an die Löhne, sondern an die Inflation gekoppelt werden.
Drittens setzen sich die Wirtschaftsweisen - anstelle des "Generationenkapitals" - für die Einführung einer kapitalgedeckten Rente. "Besser wäre es tatsächlich, wenn man ein verpflichtendes kapitalgedecktes Verfahren einführt, das den jungen Leuten ermöglicht anzusparen, um später im Alter einen Teil ihrer Rente abdecken zu können", sagte Grimm dem WDR.
Grimm forderte eine Umplanung: Es müsse ein Rentensystem etabliert werden, das auch den jungen Menschen verlässlich die Rente garantiere.
Wie geht es nach dem Kabinettsbeschluss weiter?
Damit das "Generationenkapital" noch 2024 eingerichtet werden kann, will die Regierung nun Tempo machen. Die im Bundesrat versammelten Länder sollen über die Reform bereits am 5. Juli beraten.
Wie wichtig ist private Altersvorsorge?
Eine zusätzliche private Vorsorge ist nach wie vor notwendig. "Egal, wie es mit dem Generationenkapital weitergeht - niemand bekommt deswegen mehr Rente", sagte Linda Staude von der WDR-Wirtschaftsredaktion bereits im März. Umso wichtiger sei es daher gerade für junge Menschen, jetzt schon selbst Geld auf die Seite zu legen, um im Alter etwas zu haben.
Unsere Quellen:
- WDR5 Morgenecho
- WDR-Wirtschaftsredaktion
- Nachrichtenagentur dpa
- Rheinische Post