Aufregung um Pubertätsblocker - Was steckt dahinter?

Stand: 14.10.2022, 20:31 Uhr

Ein Text auf der Internetseite der Bundesregierung sorgt für Diskussionen: Transjugendlichen wurde dort die Einnahme sogenannter Pubertätsblocker vorgeschlagen. Inzwischen ist der Wortlaut geändert worden.

Von Nina Magoley

Auf dem "Regenbogenportal", einer Internetseite des Bundesfamilienministeriums, finden Menschen aus der LSBTIQ-Community - lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, inter* und queere Personen - Informationen rund um Themen geschlechtlicher Vielfalt. Ein Artikel mit dem Titel "Jung und trans*" richtet sich speziell an Kinder und Jugendliche, deren empfundenes Geschlecht nicht das ist, mit dem sie geboren wurden.

In der Version des Textes in "leichter Sprache" hieß es ursprünglich: "Bist du noch sehr jung? Und bist du noch nicht in der Pubertät? Dann kannst du Pubertäts-Blocker nehmen. (...) Diese Medikamente sorgen dafür, dass du nicht in die Pubertät kommst." Nach Kritik an dieser Formulierung besserte das Ministerium am Donnerstag nach. Nun heißt es: "... So kannst du deinen Arzt/deine Ärztin fragen, ob dir Pubertätsblocker vielleicht helfen könnten".

Was sind Pubertätsblocker?

Sogenannte Pubertätsblocker wirken auf die Hirnanhangdrüse. Diese sendet Botenstoffe im Körper aus, die die Produktion von Geschlechtshormonen anregen. Durch das Medikament wird die Hirnanhangdrüse blockiert, wodurch zum Beispiel im heranwachsenden männlichen Körper kein Testosteron mehr produziert wird. Die Entwicklung typischer körperlicher Männlichkeitsmerkmale, wie Stimmbruch oder Bartwuchs, wird damit gestoppt.

Kinder oder Jugendliche, die sich sehr sicher sind, in einem Körper geboren zu sein, der nicht ihrer Geschlechtsidentität entspricht, können damit eine körperliche Entwicklung in die für sie falsche Richtung unterbrechen und später eine Hormontherapie beginnen.

Warum hat die Bundesregierung ihren Infotext dazu geändert?

Der "Bild"-Zeitung war die Formulierung auf dem Regenbogenportal offenbar aufgefallen. Am Mittwoch hatte das Blatt die konservative Ex-Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) dazu zitiert: "Pubertätsblocker sind ein großer und schwerwiegender Eingriff in die Entwicklung der Kinder", erklärte Klöckner, es könne nicht sein, "dass die Bundesregierung diese Medikamente empfiehlt wie Hustenbonbons".

Auf diese Veröffentlichung hin änderte das Familienministerium den Text und schwächte die Formulierung deutlich ab. In einer Pressemitteilung hieß es, die Bundesregierung empfehle nicht die Einnahme von Pubertätsblockern. Die Entscheidung über die Verschreibung liege "ausschließlich im Ermessen der behandelnden Fachärztinnen und -ärzte". Es handele sich um Medikamente, "die nur nach sorgfältiger medizinischer Indikation auf Grundlage von wissenschaftlichen Leitlinien von Fachärztinnen und -ärzten verschrieben werden können."

Einmal auf das Thema aufmerksam geworden, twitterte Klöckner dann am Donnerstag aber weiter: "Das ist doch irre (...) Bundesregierung empfiehlt sehr jungen, unsicheren Menschen Pubertäts-Blocker."

Text stand schon seit Jahren online

Die grüne Bundestagsabgeordnete Nyke Slawik, selber Transfrau, reagierte auf Twitter auf die Äußerungen von Ex-Ministerin Klöckner und warf ihr "schäbige Stimmungsmache" vor. Die Wirkung von Pubertätsblockern sei reversibel und werde "nur nach gesicherter Diagnose verschrieben, nach vielen Arztbesuchen". Der Text sei keine Behandlungsempfehlung der Bundesregierung, "sondern lediglich Aufklärung über trans Gesundheitsversorgung".

Zudem habe es das Regenbogenportal als queeres Informationsportal schon zu Zeiten der Groko gegeben, "da haben Sie persönlich mitregiert", so Slawik an Klöckner. Nach Auskunft des Ministeriums steht der Text zu Pubertätsblockern tatsächlich bereits seit Jahren online. Das Regenbogenportal sei im Mai 2019 gestartet - unter der damals schwarz-roten Regierung aus CDU und SPD. Familienministerin war damals die jetzige Regierende Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey (SPD), gefolgt von Christine Lambrecht (SPD) und Anne Spiegel (Grüne). Seit April ist Lisa Paus (Grüne) Familienministerin.

Welche Bedeutung hat der Einsatz von Pubertätsblockern?

Studien zeigen, dass die Zahl der Jugendlichen, die sich ärztlich behandeln lassen, weil ihre eigene Geschlechtswahrnehmung nicht ihrem Körper entspricht, weltweit stark zunimmt. Deutlich mehr Mädchen stellten sich in entsprechenden Sprechstunden vor. An der Universitätskinderklinik in Bochum beispielsweise finden nach ARD-Recherchen derzeit 750 Kinder und Jugendliche mit möglicher Transidentität Beratung - und gegebenenfalls Behandlung mit Pubertätsblockern.

In der Fachwelt wird der Einsatz dieses Entwicklungshemmers kontrovers diskutiert. Es gebe nicht zu unterschätzende Nebenwirkungen, sagt beispielsweise Alexander Korte, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik München, in der ARD-Doku "Die Story". Eine britische Studie habe gezeigt, dass die Rate der Selbstverletzungen bei Mädchen, die mit Pubertätsblockern behandelt wurden, angestiegen sei.

"Wir sprechen nicht von einer Lifestyle-Optimierung, sondern von krankmachenden Leidensthemen", sagt dagegen Georg Romer, Direktor der Kinder-und Jugendpsychiatrie der Uniklinik Münster. Man dürfe Jugendliche, die sich in einem ihnen fremden Körper wähnen, "nicht ins offene Messer laufen lassen", indem man ihnen rate, erstmal ihre Reifeentwicklung abzuwarten, bevor man sich um medizinische Behandlungsangebote unterhalte.