Einen Tag nach der Messerattacke bei einer Veranstaltung des islamkritischen Vereins "Bürgerbewegung Pax Europa" (BPE) in Mannheim versuchen die Ermittler weiter zu klären, wie es zu der Bluttat kommen konnte. "Was uns am meisten umtreibt, ist die Frage nach dem Motiv", hieß es aus dem baden-württembergischen Landeskriminalamt.
Was ist passiert?
Bei dem Messerangriff hatte ein Mann am Freitagvormittag Teilnehmer einer islamkritischen Kundgebung auf dem Marktplatz angegriffen und insgesamt sechs Menschen verletzt, darunter einen Polizisten. Seine Verletzungen waren so schwer, dass er am Sonntag starb.
Bei den weiteren Verletzten handle es sich um fünf Männer im Alter von 25 bis 59 Jahren - unter ihnen drei deutsche, ein deutsch-kasachischer und ein irakischer Staatsbürger. Der 25-Jährige habe das Krankenhaus bereits verlassen können.
Die "Pax Europa"-Schatzmeisterin Stefanie Kizina sagte der "Bild"-Zeitung, die Attacke sei gezielt gegen Vorstandsmitglied Michael Stürzenberger gerichtet gewesen. Der 59-Jährige selbst meldete sich am Samstag aus dem Krankenhaus mit einer Nachricht mit Foto auf der Plattform Telegram. Er habe mehrere Stichverletzungen erlitten, eine davon im Oberschenkel habe "erheblichen Blutverlust" verursacht. Auch im Gesicht sei er verletzt worden.
Was ist über den mutmaßlichen Täter bekannt?
Der Tatverdächtige lebt nach Polizeiangaben seit 2014 in Deutschland. Der 25-Jährige sei verheiratet, habe zwei Kinder und sei zuletzt im hessischen Heppenheim wohnhaft gewesen. Die Wohnung des in Afghanistan geborenen Mannes sei durchsucht worden.
Am Samstag ist gegen ihn Haftbefehl wegen versuchten Mordes erlassen worden. Der Mann sei polizeilich bislang nicht in Erscheinung getreten, heißt es.
Wer ist Michael Stürzenberger?
Der 1964 im bayerischen Bad Kissingen geborene Politikwissenschaftler Michael Stürzenberger war über Jahre als Journalist für mehrere Medien tätig. Ende 2003 wurde er Pressesprecher der CSU in München. Später verließ er die CSU und stieg 2011 bei der Partei "Die Freiheit" ein, die bald beim bayerischen Landesverfassungsschutz als islamfeindliche Gruppierung auftauchte.
Mehrfach trat Stürzenberger auf Veranstaltungen der islamfeindlichen "Pegida"-Bewegung in Dresden auf. Er organisierte zeitweise auch den bayerischen Pegida-Ableger "Bagida". Der bayerische Verfassungsschutz schrieb in seinem Bericht für das Jahr 2022 über Stürzenberger und den bayerischen Landesverband von "Pax Europa", es lägen "tatsächliche Anhaltspunkte" dafür vor, dass diese "verfassungsschutzrelevante islamfeindliche Bestrebungen" verfolgten, "die auf eine Abschaffung der Religionsfreiheit für Muslime gerichtet sind".
Im jüngsten Bericht der Behörde für 2023 tauchen Stürzenberger und die Organisation nicht mehr auf. Nach Angaben des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz liegt das aber nur daran, dass diese weniger aktiv seien. Sowohl Stürzenberger als auch der Landesverband Bayern würden weiter beobachtet.
In Nordrhein-Westfalen werde der Verein "Pax Europa" nicht vom Verfassungsschutz beobachtet, sagte eine Sprecherin des NRW-Innenministeriums am Samstag dem WDR.
Was plant "Pax Europa" in NRW?
Am kommenden Samstag (8. Juni) sei ein Stand in der Dortmunder Innenstadt geplant, sagte "Pax Europa"-Schatzmeisterin Stefanie Kizina am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Sie gehe davon aus, dass die Polizei "sicher die Sicherheitsmaßnahmen verschärfen wird". Einen eigenen Sicherheitsdienst sehe "Pax Europa" nicht vor.
Das bei dem Angriff in Mannheim verletzte Vorstandsmitglied Michael Stürzenberger werde "auf jeden Fall weiter machen", betonte Kizina. Sie gehe nach jetzigem Stand aber nicht davon aus, dass Stürzenberger schon am kommenden Samstag in Dortmund wieder dabei sein könne, da er "erheblich verletzt" worden sei und weiter im Krankenhaus liege.
Auf der Internetseite des Vereins "Bürgerbewegung Pax Europa" mit Sitz in Krefeld sind noch zwei weitere Veranstaltungen in Nordrhein-Westfalen angekündigt. Sie sollen demnach am 14. Juni in Hamm und am 15. Juni in Hagen stattfinden.
Wie bereitet sich die Polizei in NRW darauf vor?
Zu konkreten Maßnahmen äußert sich die Polizei nicht. Eine Sprecherin des NRW-Innenministeriums sagte dem WDR am Samstag jedoch, dass das Landeskriminalamt die entsprechenden Kreispolizeibehörden über die anstehenden Veranstaltungen informiert und "im Hinblick auf die Vorkommnisse in Mannheim sensibilisiert" habe.
"Die Kreispolizeibehörden sind im ständigen Austausch und erheben fortwährend sicherheitsrelevante Erkenntnisse", so die Sprecherin. "Diese sind Grundlage der Beurteilung der Gefährdungslage und darauf basierender Einsatz- und Schutzmaßnahmen." Darin flössen auch die Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden der Länder und des Bundes ein.
Unsere Quellen:
- Nachrichtenagenturen DPA und AFP
- NRW-Innenministerium
- Website von "Pax Europa"