Vom Sofa aufstehen und mitmachen - das haben sich Sabine Menzel, Christian Erger und Tara Tzalis vorgenommen. Die Drei haben in den letzten Wochen Mitgliedsanträge unterschrieben und sind in Parteien eingetreten.
Sabine Menzel ist bei den Grünen aktiv geworden und besuchte gleich die Bundesdelegiertenkonferenz in Wiesbaden. Richter Christian Erger entschied sich zusammen mit seiner Frau für die CDU. Tara Tzalis aus Köln trat in die FDP ein. Sie alle eint der Wunsch, die Demokratie stärken zu wollen.
"Durch Nichts tun wird es meistens nicht besser"
"Wir haben, so wie viele Leute wahrscheinlich im Moment, auf dem Sofa gesessen und geschimpft, wer es alles schlecht macht und vor allem, welche Parteien zu viel oder zu wenig Zuspruch haben", erzählt Christian Erger - und sagt dann noch: Durch Nichtstun werde es aber meistens nicht besser. Als Richter sei er aus beruflichen Gründen zu Zurückhaltung aufgerufen. Möglichkeiten, sich zu engagieren sieht er trotzdem: beim Wahlkampf zu helfen oder Ideen einzubringen, seine Expertise, seine Meinung.
Tara Tzalis beschreibt es so ähnlich. Viele Menschen seien unzufrieden, sie auch. Ihre Antwort darauf: "Hör mal auf zu jammern und engagier' dich. Und wenn du ein Problem damit hast, wie es gerade in der Politik läuft, dann ändere doch mal was und bring dich in der Politik für deine Werte ein."
Viele neue Mitglieder seit Ampel-Aus
Der Zeitpunkt für die Parteieintritte ist kein Zufall: Seit dem Ende der Ampel-Koalition verzeichnen die Parteien deutliche Mitgliederzuwächse. Auf Bundesebene gewannen die Grünen mehr als 20.000 neue Mitglieder, die Linke knapp 4.900. Bei der SPD gingen 2.500 Online-Anträge ein, bei der FDP 2.000. Die CDU meldet mehr als 1.000 neue Mitglieder - wobei hier viele Anträge noch dezentral erfasst werden und die tatsächliche Zahl höher liegen dürfte.
Zuwachs auch bei den NRW-Landesverbänden
Auch die NRW-Landesverbände der Parteien verzeichnen seit dem Ampel-Aus ein erhöhtes Mitglieder-Interesse. Bei den NRW-Grünen etwa liegt die Zahl der Eintritte im vierstelligen Bereich. "Die Ein- und Austritte werden von unserem Bundesverband erfasst und dann von den Kreis- und Ortsverbänden bearbeitet. Dort erfolgt dann auch die formelle Aufnahme in die Partei. Durch diese Schritte zeichnen sich die Zahlen etwas zeitverzögert ab", erklärt ein Sprecher der NRW-Grünen. Die Partei hatte im März 2024 etwa 27.000 Mitglieder in NRW. Aktuelle Zahlen will sie kommende Woche auf ihrem Landesparteitag bekanntgeben.
Die NRW-CDU kann ihre Mitgliederzahlen für November ebenfalls erst kommende Woche nennen. In den vergangenen Jahren waren die Mitgliederzahlen aufgrund der demografischen Entwicklung eher zurückgegangen. "Im laufenden Jahr zeichnet sich nun erstmals die Tendenz ab, dass die Zahl der Mitglieder mit 110.000 stabil bleibt", sagte ein Parteisprecher.
Kleinere und größere Parteien profitieren
Bei der NRW-FDP haben nach Parteiangaben in den ersten zwei Wochen nach dem Ampel-Aus 400 Menschen aus NRW einen Antrag auf Mitgliedschaft gestellt. Die Partei hat in NRW derzeit rund 17.500 Mitglieder. Die NRW-SPD konnte in der Woche nach dem Ampel-Aus rund 350 Eintritte verzeichnen, die online gestellt wurden. Die weiteren Anträge werden derzeit noch ausgewertet. Derzeit hat die NRW-SPD etwa 86.500 Mitglieder.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) will in NRW nur langsam wachsen. Wer Mitglied werden will, wird erstmal Unterstützer. Erst nach einer Weile wird dann über den Mitgliedsantrag entschieden. Die Linken in NRW konnten nach dem Ampel-Aus 844 neue Mitglieder in ihrem Landesverband begrüßen.
Parteimitglied werden
Mitglied werden ist bei vielen Parteien einfach: Online-Antrag ausfüllen - fertig! Allerdings setzen die meisten Parteien ein Mindestalter voraus. Auch monatliche, nach Einkommen gestaffelte Beiträge sind üblich. Dafür kann man abstimmen und für Ämter kandidieren.
Demokratisches Pflichtgefühl als Grund fürs Engagement
Dazugehören, mitmachen und etwas bewirken können - das ist schon einer der wichtigsten Gründe, warum Menschen in Parteien eintreten und dabei bleiben. Die Parteienforscherin Kristina Weissenbach von der NRW School of Governance sieht aber auch noch einen anderen Grund, warum gerade jetzt bei allen Parteien viele dazukommen - und zwar auf emotionaler Ebene. In ihrer Forschung stoße sie immer wieder auf diese Antwort: ein demokratisches Pflichtgefühl, das Befragte als Grund für ihr Engagement nennen.
Unsere Quellen:
- WDR-Interviews mit Partei-Neumitgliedern
- WDR-Interview mit Parteienforscherin Kristina Weissenbach
- Nachrichtenagentur AFP