Nord Stream 1: Das passiert bei der Wartung

Stand: 11.07.2022, 15:46 Uhr

Wegen Wartungsarbeiten strömt seit Montag erstmal kein russisches Gas mehr durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1. Was wird da eigentlich zehn Tage lang gemacht und sind das wirklich nur technische Routine-Arbeiten?

Einige warnen davor, dass Russland die Wartungsarbeiten zum Vorwand nutzen könnte, um die Gaslieferungen aus politischen Gründen wegen des Krieges gegen die Ukraine völlig einzustellen. So kürzte der russische Staatskonzern Gazprom am Montag erneut seine Lieferungen an Italien und Österreich. "Es wird befürchtet, dass die russische Seite das Gas als strategische Waffe benutzt", sagte Chefvolkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank am Montag.

Warum ist die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 so wichtig?

Die Pipeline ist technisch gesehen so etwas wie unsere Hauptleitung für russisches Gas, wie Jörg Marksteiner aus der WDR-Wirtschaftsredaktion erklärt. Und russisches Gas decke im Moment noch etwas mehr als etwa ein Drittel unseres Bedarfs. Es gibt zwei weitere Pipelines mit russischem Gas, zum einen Jamal durch Belarus und Polen, die in Mallnow ankommt. Hier liege die Liefermenge schon nahe der Nullgrenze, so Marksteiner. "Eine andere Leitung durch die Ukraine und Tschechien kommt bei uns in Süddeutschland (Waidhaus) an, aber da wird weiter weniger transportiert."

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Was genau passiert jetzt bei der Wartung?

"Die Wartung kann man sich vorstellen wie eine Inspektion beim Auto", sagt Wirtschaftsredakteur Marksteiner. Es gibt also nicht unbedingt einen konkreten Anlass für diese Routine-Prüfung. Die Details dieser Prüfung sind nicht bekannt. "Die Nordstream 1 AG spricht von Tests der mechanischen Komponenten und Automatisierungssysteme", berichtet Marksteiner.

Ähnliches habe er bereits aus der Branche gehört: Es könne durchaus sein, dass es gar nicht um die Röhren selbst geht, sondern vor allem um die Einspeise- und Entnahmestationen an Land, die auf Brandsicherheit, Dichtigkeit und Funktion getestet werden. "Es kann also sein, dass man, vereinfacht gesagt, auf russischer und auf deutscher Seite so einen Schieber reinmacht. Die Röhren bleiben mit Gas befüllt, es fließt nur nicht mehr."

Wie wahrscheinlich sind denn technische Störungen bei der Pipeline?

Nord Stream 1 ist 2011 in Betrieb genommen worden und auf 50 Jahre Laufzeit angelegt. "Schwerwiegende technische Probleme, die überraschend auftauchen, erwartet da eigentlich niemand", so die Einschätzung von Marksteiner. Aus Kanada ist jetzt auch zu Beginn der Arbeiten eine gewartete Turbine geliefert worden, die in Russland eingebaut werden soll.

"Das war ja die Begründung Russlands, warum seit Mitte Juni 60 Prozent weniger Gas durch Nord Stream 1 ankam", erklärt Marksteiner. Nach Einschätzung von Experten könne ein Ausfall so einer Turbine, die das Gas mit hohem Druck durch die Leitungen pumpt, eigentlich nicht Folgen in diesem Umfang haben, denn diese Systeme seien normalerweise doppelt abgesichert.

Wenn die Pipeline am 21. Juli nicht funktioniert, geht es dann eher um politische Gründe?

"Sagen wir mal so, es wäre zumindest sehr, sehr verdächtig", so die Einschätzung von Jörg Marksteiner. Grundsätzlich seien die Wartungen lange vorher angemeldet und auch exakt terminiert. Man plane wie bei einer Autobahnreparatur auch mit einem großzügigen Puffer. "Dass die Arbeiten länger dauern bei diesen Pipelines, das kommt zumindest bei Ferngaswartungen hierzulande eigentlich so gut wie nie oder höchst selten vor", sagt Marksteiner.

Fließt nach der Wartung von Nord Stream 1 wieder russisches Gas?

Ob Nord Stream 1 nach zehn Tagen wieder ans Netz geht, wisse man nicht, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Montag in Prag. In der Vergangenheit seien bereits technische Gründe vorgeschoben worden, "um quasi eine politische Wartung vorzunehmen". Da es einmal passiert sei, könne es natürlich wieder passieren.

"Aber man müsste in Putins Kopf reingucken, um zu verstehen, wie er reagieren wird und vielleicht ist das ein Anblick, den wir vielleicht lieber gar nicht vornehmen wollen", ergänzte der Minister. Ansonsten wäre es reine Spekulation, zu sagen, was nach dem 21. Juli passiert. "Wir hoffen auf das Beste und bereiten uns auf das Schlimmste vor", so Habeck.