Migrationstreffen in Berlin Aktuelle Stunde 03.09.2024 42:48 Min. UT Verfügbar bis 03.09.2026 WDR Von Kristina Klusen

Treffen in Berlin: Das wollen die Parteien in Sachen Migration

Stand: 03.09.2024, 21:28 Uhr

Die irreguläre Migration nach Deutschland eindämmen – hierüber wird auf politischer Ebene verhandelt. Was fordern die verschiedenen Parteien aktuell? Am Dienstagnachmittag haben sich dazu auch Ampel-Koalition, Union und Ländervertreter im Berliner Bundesinnenministerium getroffen.

Für über ein Viertel der Menschen hierzulande ist die Migration nach Deutschland ein Thema, das sie beschäftigt. Das zeigt das Politbarometer der Forschungsgruppe Wahlen - demnach bewerteten Mitte August bei einer Umfrage rund 27 Prozent der Befragten die Frage um das Thema Migration, Asyl und Ausländer als wichtigstes gesellschaftliches Problem.

Im Bundesinnenministerium waren am Dienstagnachmittag Vertreter der Ampel-Koalition, der Union und der Bundesländer zu Beratungen darüber zusammengekommen, wie die irreguläre Migration nach Deutschland eingedämmt werden kann. Nächste Woche sollen die Gespräche fortgesetzt werden. Für die Länder vertrat Hessen die Unionsseite und Niedersachsen die SPD-Seite. Die Regierung hatte das Treffen vergangene Woche nach dem Messer-Attentat von Solingen angesetzt.

Das will die Bundesregierung

Nach dem mutmaßlich islamistisch motivierten Messeranschlag von Solingen hatte die rot-grün-gelbe Bundesregierung kurzfristig ein Paket mit Maßnahmen geschnürt, das Grundlage für das Treffen im Bundesinnenministerium sein sollte. Zu den Maßnahmen zählen:

  • eine härtere Gangart bei der Rückführung abgelehnter Asylbewerber in ihre Herkunftsländer
  • Schritte zur entschiedeneren Bekämpfung des islamistischen Terrors
  • Verschärfungen beim Waffenrecht

Vorgesehen ist dabei etwa, dass Schutzsuchende, für die ein anderes europäisches Land zuständig ist, in Deutschland keine Leistungen mehr erhalten - wenn dieses Land zur Rücknahme bereit ist (Dublin-Fälle). Zudem soll es ein Verbot von Springmessern und einen leichteren Ausschluss vom Schutz in Deutschland für Migranten geben, die eine Straftat begangen haben. 

Allerdings: Damit das Sicherheitspaket auch den Bundesrat passiert und auf einem breiten politischen Willen fußt, braucht es die Zustimmung der Union - und die erwartet von der Ampel-Koalition deutlich weitreichendere Schritte als im "Sicherheitspaket" vorgesehen.

Das will die Union

CDU und CSU wollen, dass weniger Asylbewerber überhaupt ins Land kommen. CDU-Chef Friedrich Merz sagte kürzlich bei einem Auftritt im Raum Osnabrück, nicht Abschiebungen seien das eigentliche Problem, sondern der irreguläre Zuzug.

Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) als Unionsländer-Vertreter zu den Forderungen der Union:

  • mehr Grenzkontrollen und mehr Zurückweisungen an den Grenzen
  • Stopp für Aufnahmeprogramme schutzbedürftiger Menschen direkt aus ihren Herkunftsregionen
  • Stopp des Familiennachzugs für so genannte subsidiär Schutzberechtigte - eine Gruppe, in die viele Bürgerkriegsflüchtlinge fallen
Thorsten Frei (CDU), Andrea Lindholz (CSU) und Roman Poseck (CDU) bei Treffen zur Migrationspolitik | Bildquelle: dpa / Kay Nietfeld

Zudem hat laut Poseck die Ministerpräsidentenkonferenz (unter Vorsitz Hessens) Asylverfahren außerhalb Europas vorgeschlagen. Hier prüft die Bundesregierung allerdings noch die Machbarkeit. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte Ergebnisse dieser Prüfungen bis Dezember in Aussicht gestellt. CDU-Chef Merz hat in der Migrationsdebatte sogar die Option einer nationalen Notlage ins Gespräch gebracht, um Menschen so an den Grenzen zurückweisen zu können.

Migrationsforscher Gerald Knaus | Bildquelle: (Francesco Scarpa / ESI)

Allerdings: Deutschland kann seine Grenzen als Mitglied des Schengenraums nicht einfach so und zeitlich unbefristet kontrollieren. Wenn Deutschland das trotzdem gegen gültiges EU-Recht durchsetze, öffne dies das "Tor zum Chaos", so Migrationsforscher Gerald Knaus gegenüber dem WDR. Möglich ist eine Grenzkontrolle nur zeitlich begrenzt bei bestimmten Ereignissen - wie zum Beispiel den Olympischen Spielen. Und auch das muss bei der EU-Kommission begründet werden.

Das will die AfD

Die AfD ist nicht Teil des Treffens, da sie nicht Teil einer Regierung ist. AfD-Fraktionschefs Alice Weidel und Tino Chrupalla äußerten keine großen Erwartungen an die Bund-Länder-Runde. "Es ist zu befürchten, dass sich daran auch nach dem heutigen Treffen nichts ändern wird und dass den Bürgern mit einer PR-Show erneut Sand in die Augen gestreut wird", erklärten sie. Ihre Forderungen:

  • eine grundlegende Reform des Asylrechts
  • einen sofortigen Stopp der Aufnahme, Einreise und Einbürgerung von illegalen Migranten
  • einen effektiven Grenzschutz mit Zurückweisungen illegaler Migranten

Allerdings: Abgesehen davon, dass die AfD für ihre Forderungen keine parlamentarische Mehrheit finden dürfte: Eine grundlegende Reform des Asylrechts kann Deutschland innerhalb der EU nicht im Alleingang machen. Und es ist auch keine Lösung, das EU-Recht auszusetzen. Wenn Deutschland sich nicht mehr an die europäischen Regeln halte, stehe es letztlich ohne Partner da, sagte Migrationsforscher Gerald Knaus im ZDF. Dann sei auch keine regelkonforme Rücknahme von Migranten mehr möglich.

Das will das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)

Sahra Wagenknecht | Bildquelle: AFP/JOHN MACDOUGALL

Auch das BSW ist nicht beim heutigen Treffen vertreten gewesen - da es ebenfalls bislang noch nicht Teil einer Regierung ist. Die Gründerin und Vorsitzende des BSW, Sahra Wagenknecht, fordert von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine öffentliche Abkehr von der Flüchtlingspolitik seiner Vorgängerin Angela Merkel (CDU). "Der Bundeskanzler sollte das Stoppsignal an die Welt senden: Die Willkommenskultur ist vorbei. Wir schaffen es nicht. Macht Euch nicht auf den Weg!“, so Wagenknecht. Zu ihren Forderungen zählen:

  • angeordnete Abschiebungen durchsetzen
  • abgelehnten Asylbewerbern nach einer kurzen Übergangsfrist alle Leistungen streichen
  • Stopp von Entwicklungsgeldern für Staaten, die Staatsbürger nicht zurücknehmen

Allerdings: Zumindest die Forderung, abgelehnten Asylbewerbern nach einer kurzen Übergangsfrist alle Leistungen zu streichen, dürfte nicht durchsetzbar sein. Das Bundesverfassungsgericht hat Einschnitten bei Leistungen für Asylbewerber in mehreren Urteilen enge Grenzen gesetzt. So hielten die Verfassungsrichter bereits 2012 fest, nach Artikel 20 des Grundgesetzes gebe es ein Grundrecht auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. "Das Grundrecht steht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu", hieß es in den Leitsätzen des damaligen Urteils.

Unsere Quellen:

  • Forschungsgruppe Wahlen e.V.
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Nachrichtenagentur Reuters
  • Nachrichtenagentur KNA
  • Interview mit Migrationsforscher Gerald Knaus in der Aktuellen Stunde