Hülya Özdağ ist Geschäftsführerin einer türkischen Konditorei in Köln. "Es ist ein Schlag", sagt sie. Ein Schlag, dass alle Rohstoffe, die in der Konditorei zu Naschwerk verarbeitet werden, so teuer geworden sind. Für das traditionelle Baklava-Gebäck musste Özdağ die Preise bereits anheben. Allerdings gibt die Geschäftsfrau die Teuerungen nicht eins zu eins an ihre Kundschaft weiter.
Özdağ hat Sorge, dass die Kunden dann ausbleiben. Stattdessen habe man versucht, den Preis-Anstieg in einem erträglichen Maß zu halten. "Sodass die Kunden dafür Verständnis haben und es uns rettet."
Speziell Zucker treibt die anhaltende Teuerung auf die Spitze und kostet derzeit über 70 Prozent mehr als vor einem Jahr. Generell sind Nahrungsmittel im März um 22,3 Prozent teurer geworden als im Vorjahresmonat. Milchprodukte und Eier verteuerten sich um 34,6 Prozent, Gemüse um 27,3 Prozent.
Und das, obwohl die Inflationsrate insgesamt inzwischen auf 7,4 Prozent gesunken ist. Das bestätigte das Statistische Bundesamt am Donnerstag. Zum Jahresbeginn waren es noch 8,7 Prozent. Noch deutlicher war die Abschwächung bei Energiepreisen: Energie war im März zwar immer noch um 3,5 Prozent teurer als im Vorjahresmonat. Im Februar betrug der Preisanstieg aber noch 19,1 Prozent. Wie passt das zusammen?
Dominoeffekt bei den Kosten
Hauptgrund sei, dass sich die hohen Erzeugerkosten aus den vergangenen Monaten erst zeitversetzt in den Preisen für Lebensmittel niederschlagen, sagt Ute Schyns aus der WDR-Wirtschaftsredaktion. Eine Art Dominoeffekt, Beispiel: Die hohen Gaspreise führten zu stark gestiegenen Kosten für Düngemittel, was sich auf die Produktion von Tierfutter auswirkte und somit die Milch teurer machte. Die wiederum wurde in Molkereien in energieintensiven Prozessen weiterverarbeitet. Die Folge: Preise für Butter, Quark und Co. gingen durch die Decke. Eine ähnliche Verkettung gab es für andere Produkte.
"Dazu kommt der Anstieg der Löhne in verschiedenen Sektoren. Auch das wirkt sich zeitverzögert auf die Preise aus", sagt Schyns. Letztlich seien die Gründe bei jedem Lebensmittel unterschiedlich, weshalb sich auch die Preise unterschiedlich entwickelt hätten.
Verbraucherzentrale vermutet Marktmissbrauch
Für die Verbraucherzentrale sind manche Preissteigerungen bei Lebensmitteln dennoch "weder gerechtfertigt noch nachvollziehbar". Die Organisation spricht von Marktmissbrauch in Krisenzeiten. Der Verdacht liege nahe, dass einige Hersteller und Händler die Inflation zur "Gewinnmitnahme" nutzen, sagte Bernhard Burdick von der Verbraucherzentrale NRW.
Doch warum ist ausgerechnet Zucker so viel teurer geworden? Anders als bei Obst und Gemüse wird der Erzeugerpreis für Zucker vom Weltmarkt beeinflusst und ist somit Börsenhandel und Spekulationen unterworfen. Vor allem aber sei die Zuckerrübenernte in vielen Ländern aufgrund von Extremwettern besonders schlecht ausgefallen, sagt Lisa Grohmann von der Agrarmarkt-Informationsgesellschaft (AMI). Es gibt also schlicht weniger als benötigt wird und auch hier gilt: Die Produktion ist enorm energieintensiv.
Müssen wir uns jetzt an die hohen Preise gewöhnen?
Wie sich die Kosten für Lebensmittel weiterentwickeln sei schwer zu sagen, sagt Ute Schyns. Schließlich hänge auch die nächste Ernte stark vom Wetter ab. Der Sachverständigenrat der Bunderegierung geht jedenfalls davon aus, dass die Inflation zwar ihren Höhepunkt erreicht hat, aber für das laufende Jahr noch immer durchschnittlich 6 Prozent betragen wird. Wirtschaftsforscher rechnen damit, dass die Teuerrungsrate erst ab 2024 wieder deutlich sinken wird. Die Preise bleiben also hoch.
Über dieses Thema berichten wir am 14. April im WDR auch im Fernsehen, Aktuellen Stunde 18.45 Uhr.