Die Deutschen sind sparsam geworden - ja, aber mit Ausnahmen: Auf Reisen und Urlaub wollen die meisten doch nicht verzichten. Nach dem Thema Essen liegt Reisen auf Platz zwei der "Konsumprioritäten", erst dann kommt die Frage der Wohnung. Und Urlaub in NRW wird dabei offenbar immer beliebter.
Am Freitag stellte der Tourismusverband NRW eine regelrechte Erfolgsbilanz vor. Demnach zählte der Verband 2023 rund 53,6 Millionen Übernachtungen in NRW, fast 13 Prozent mehr als im Vorjahr und überhaupt so viele wie noch nie.
Trend zu mehr Kurzurlauben
"Bei Freizeitaktivitäten sparen die Menschen nicht", sagte Heike Doll-König vom Tourismusverband NRW. 2023 sei für den Tourismus ein Rekordjahr gewesen, und auch die Aussichten für das laufende Jahr seien gut. Der Bedarf, sich eine Auszeit vom Alltag zu gönnen, sei groß. Dabei sei ein Trend zu mehr Kurzurlauben statt dem einen großen Jahresurlaub zu beobachten.
Davon profitiert NRW offenbar noch mehr als andere Bundesländer: Nach Hessen sei NRW beim Thema Tourismus das "zweitdynamischste Bundesland".
Besonders attraktiv sei NRW wegen seiner "dichten Erlebnislandschaft", so Doll-König: Die Kombination aus Städten, vielen Museen, Freizeitparks, aber auch abwechslungsreichen Landschaften ziehe die Menschen an. So boomt zum Beispiel das Münsterland mit 17 Prozent mehr Besuchern als im Vorjahr.
Eintrittspreise in NRW höher als anderswo
Touristen locke hier vor allem auch die Möglichkeit, Fahrradfahren mit Kultur zu verbinden. Aber auch das Ruhrgebiet sei mittlerweile Ziel für Fahrradurlaube, und die Museen NRWs verzeichneten 2023 einen Besucherzuwachs von 11 Prozent. Und das, obwohl die Eintrittspreise für Freizeiteinrichtungen hierzulande um durchschnittlich 6,5 Prozent stiegen, in Zoos sogar um mehr als 12 Prozent. Im Vergleich zu anderen Bundesländern müssen Besucher in NRW deutlich tiefer in die Tasche greifen.
Niederländer sind die größten NRW-Fans
Bei den ausländischen Gästen sind die Niederländer die größten NRW-Fans. Sieben von zehn Übernachtungsgästen im Sauerland kommen aus den Niederlanden, besonders Ferienzentren und Campingplätze stehen hier hoch im Kurs. Zweitgrößte Touristengruppe sind Briten, gefolgt von Belgiern und US-Amerikanern. Die Touristenzahlen aus China brachen dagegen ein.
Beliebteste Städte-Ziele bei ausländischen Gästen sind Düsseldorf und Köln, aber auch die Urlaubsregionen Teutoburger Wald, Bergisches Land und Münsterland gehören dazu. Zurück gingen dagegen die Besucherzahlen in der Eifel und im Bergischen Land.
Sauerland wird zunehmend beliebt
Das Sauerland feiere nach Corona ein regelrechtes "Comeback", sagte Rolf Stoffels, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) NRW. Selbst das EM-Fieber mache sich bemerkbar: Auch Touristen, die keine Karte fürs Stadion bekommen haben, kämen ins Sauerland, um hier an schönen Orten Natur und Public Viewing am Abend zu kombinieren.
Gezieltes Marketing
Bei der Vermarktung NRWs als Urlaubsland arbeite der Tourismusverband NRW eng mit der IHK zusammen, erklärte Doll-König. Auch über das Deutsche Zentrum für Tourismus würden Werbekampagnen im Ausland ausgespielt oder über Soziale Medien beworben. Außerdem gebe es rege Kooperationen mit Buchungsplattformen und Fluggesellschaften.
Über eine App beispielsweise kann man die mehr als 100 Schlösser, Burgen und Gutshöfe des Münsterlands erkunden - mit Öffnungszeiten, Karten, Augmented Reality und Mini-Spielen.
Dass die IHK dabei mit im Boot ist, habe noch einen ganz anderen Hintergrund, so IHK-Präsident Stoffels: Industriebetriebe und Unternehmen hätten erkannt, dass es sich lohne, in eine attraktive Freizeitstruktur zu investieren, um den dringend benötigten Fachkräften Anreize zu geben, in die Region zu ziehen.
Corona-Auswirkungen auf die Branche nur gering
Einen Schub als Urlaubsland hat NRW vor allem bei inländischen Gästen wohl auch durch die Corona-Zeit bekommen: Als Reisen ins Ausland schwierig oder unmöglich waren, besannen sich viele plötzlich darauf, die eigene Heimat zu erkunden. Im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit 2019 ist die Zahl der Beherbergungsbetriebe in NRW, die schließen mussten, bis Juli 2023 nur um 6,8 Prozent zurückgegangen. Allerdings sei die Anzahl schon vor der Corona-Pandemie rückläufig gewesen, meldet der Tourismusverband.
Eine weitere Erkenntnis des Tourismusbarometers: Die durch den Krieg in der Ukraine und dessen Auswirkungen entstandenen finanziellen Sorgen treffen offenbar nicht die gesamte Bevölkerung. "Auf die generellen Reiseabsichten für 2024 wirkt sich die wirtschaftliche und finanzielle Lage jedenfalls kaum aus", heißt es in dem Bericht. Fast drei Viertel der deutschsprachigen Bevölkerung plane eine Urlaubsreise fest ein, nur jeder zehnte gebe an, gar nicht verreisen zu wollen.