In Venedig müssen Tagestouristen ab heute (25. April) Eintritt zahlen, wenn sie den Markusdom und die anderen Sehenswürdigkeiten in der historischen Altstadt besichtigen möchten. 5 Euro sind für einen Besuch zwischen 8.30 und 16 Uhr fällig.
Die Eintrittsgebühr gilt vorerst bis zum 5. Mai und dann mit einer Ausnahme an allen Wochenenden bis Mitte Juli. Touristen können sich dafür einen QR-Code aufs Handy laden, der vor allem am Bahnhof und an den wichtigsten Anlegestellen der Boote kontrolliert werden soll. Die Stadt erhofft sich, dass ein Teil der Tagestouristen durch die Eintrittsgebühr abgeschreckt wird.
In Nordrhein-Westfalen gibt es sogenannten Overtourism, also übermäßigen Tourismus, laut NRW-Tourismusverband nicht. Auch Pascal Mandelartz, Professor für Tourismuswirtschaft an der IU Internationale Hochschule, sieht solche Phänomene in NRW nicht. Er beschreibt Overtourism im WDR-Gespräch als eine "Überlastung der Kapazitäten". Damit sei gemeint, dass die Infrastruktur aber auch die Einheimischen überlastet würden.
Volle Orte in NRW: Köln an Karneval, Bonn zur Kirschblütenzeit
Mandelartz nennt für NRW Bereiche, die zeitlich begrenzt sehr voll sind: Die Düsseldorfer Altstadt an Wochenenden oder die Kölner Südstadt an Karneval. Auch die Bonner Altstadt wird zeitlich begrenzt von vielen Touristinnen und Touristen besucht: Zur Kirschblütenzeit. Ein Eintrittsgeld ist dort nicht geplant.
Aber die Stadt Bonn wollte in diesem Jahr erstmals mit einem Parkverbot in den betroffenen Straßen auf den Besucheransturm reagieren. So sollte unter den Kirschbäumen mehr Platz sein. Die Anwohnerinnen und Anwohner sollten alternativ vergünstigt in Parkhäusern in der Nähe parken können. Der Plan ist allerdings nicht aufgegangen: Die Kirschblüte war in diesem Jahr früher als sonst. Die Stadt hat aber nicht flexibel reagiert und die Parkverbote entsprechend früher eingerichtet.
Winterberg betont wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus
In Winterberg im Sauerland sieht man touristische Spitzenzeiten mit Gelassenheit. "Vor allem im Winter ist die touristische Nachfrage aufgrund unseres attraktiven Wintersport-Angebotes sowie den Einzugsgebieten Ruhrgebiet, Rheinland und Hessen sowie der Nähe zu den Niederlanden sehr groß, aber in der Regel keine Überlastung", teilte Winfried Borgmann, Geschäftsführer der Winterberg Touristik und Wirtschaft GmbH dem WDR mit.
Er verweist gleichzeitig auf ein modernes Parkleitsystem und darauf, dass Gäste gleichmäßig auf die Wintersportgebiete verteilt würden. Die Akzeptanz in der Bevölkerung sei wegen der wirtschaftlichen Bedeutung des Tourismus sehr groß.
Neue Ziele ansteuern, um auf volle Urlaubsorte Rücksicht zu nehmen
Es gibt Möglichkeiten, als Touristin oder Tourist auf stark frequentierte Orte und die Einheimischen Rücksicht zu nehmen. Tourismusforscher Jürgen Schmude hat im ARD-Morgenmagazin am Donnerstag (25. April) vorgeschlagen, außerhalb der Hochsaison zu reisen und Ziele anzusteuern, "die noch nicht so gefragt, aber hochattraktiv sind".
Tourismusforscher Mandelartz schlägt vor, statt Amsterdam eine andere niederländische Stadt zu besuchen: Leeuwarden, eine Stadt, "die Amsterdam recht ähnlich ist, aber touristisch recht unerschlossen". Sie sei eine gute Alternative zur vollen Hauptstadt.
Wer in NRW unterwegs ist und eine Sehenswürdigkeit oder ein Museum angesteuert hat, das sich vor Ort als zu voll herausstellt, kann mit einem Angebot des Tourismusverbandes nach Alternativen suchen. Das Internet-Angebot "Entdecke dein NRW" schlägt Ausflugsziele in der Nähe vor.
Tourismusforscher: Eintritt wird Venedig-Reisende nicht abhalten
"Man darf sich dadurch nicht zu große Effekte erhoffen", so Jürgen Schmude über die Eintrittsgebühr in Venedig. Dadurch würden nicht weniger Touristen in die Stadt kommen, 5 Euro würden nicht viele abschrecken.
Auch Tourismusforscher Mandelartz glaubt nicht an einen Effekt der Tagesgebühr in Venedig. Er hält es für sinnvoller, an überlasteten Orten die Bevölkerung in die weitere touristische Planung einzubinden. So könnten beispielsweise in Barcelona und Amsterdam Vertreter der Einheimischen über neue Geschäfte und Cafés mitentscheiden. Zudem sei es in Amsterdam inzwischen nicht mehr möglich, das Bettenangebot auszuweiten und so noch mehr Touristen in die Stadt zu holen.
Unsere Quellen:
- Interview mit Tourismusforscher Pascal Mandelartz
- Interview mit Tourismusforscher Jürgen Schude im ARD-MoMa
- Winterberg Touristik und Wirtschaft GmbH
- NRW-Tourismusverband
- Pressestelle der Stadt Bonn
- Nachrichtenagentur dpa