Die SPD und die Lust an der Selbstzerstörung

Stand: 22.11.2024, 16:29 Uhr

Mit der tagelangen Hängepartie um die Kanzlerkandidatenfrage hat sich die SPD schweren Schaden zugefügt, das hat in der Partei Tradition.

Ein Kommentar von Jochen Trum

Es ist eine alte Geschichte, doch bleibt sie immer neu, ließe sich mit Heinrich Heine sagen. Die SPD fällt in alte Muster zurück. Den rücksichtlosen bis schäbigen Umgang mit dem eigenen Spitzenpersonal.

Und die SPD aus NRW tut sich dabei besonders hervor, oder besser: Teile der SPD aus NRW. In der Partei wissen es viele schon lange, aber jetzt ist es auch von außen gut sichtbar. Die Intrige ist nichts Neues in der Politik, die Hemmungslosigkeit aber, mit der sie von führenden Sozialdemokraten, insbesondere aus OWL und dem Ruhrgebiet, betrieben wurde, ist erstaunlich.

Jetzt, da die Messe gelesen ist, will es natürlich niemand gewesen sein. Und so gemeint war es auch nicht. Die beflissenen Schwüre auf den Kanzler allerdings wirken im Licht der letzte Tage jetzt doch wenig überzeugend. Wir dürfen gespannt sein, wie begeistert das SPD-Fußvolk in den Wahlkampf zieht. Es haben sich, das ist sicher, eine Menge Leute verzockt.

Frisst die Revolte ihre Kinder?

Der Flurschaden ist gewaltig, der Kanzler, ohnehin gerade kein Strahlemann, ist beschädigt. Selbst die angebliche Lichtgestalt Pistorius wird sich die Frage gefallen lassen müssen, warum er das Feuer nicht eher ausgetreten hat. Er hätte es gekonnt. Jetzt stellt sich die Anschlussfrage: Frisst die gescheiterte Palastrevolte ihre eigenen Kinder?

Man stelle sich vor, die Verschwörung hätte den Kanzler in die Knie gezwungen. Von interessierter Seite wäre schnell die Erzählung in die Welt gesetzt worden, dass die Bellizisten in der SPD den zaudernden Friedenskanzler Scholz aus dem Weg geräumt hätten. Scholz mag nicht mehr viele Asse im Ärmel halten, aber seine Zurückhaltung bei Waffenlieferungen könnte eins sein.

Öffentliche Demontage als Kunstform   

Scharping, Beck, Schulz, Nahles, was stimmt eigentlich nicht mit einer Partei, die immer wieder mit ihrem eigenen Führungspersonal hadert und die öffentliche Demontage zu einer eigenen Kunstform erhebt? Es ist schon häufig festgestellt worden, dass Anspruch und Parteiwirklichkeit nicht zusammenpassen. Wer öffentlich Respekt und Solidarität predigt und zum Markenkern machen will, muss sich daran messen lassen, wie er es im eigenen Haus damit hält.

Die Lust an der Selbstzerstörung befällt gelegentlich auch andere Parteien, aber nirgends ist sie so beständig wie in der SPD. Ein weiteres Beispiel gefällig? Warum etwa schafft es die Landtagsfraktion nicht, mitten in der Legislatur ihren Vorsitzenden Jochen Ott mit einem anständigen Wahlergebnis im Amt zu bestätigen? Vor wenigen Wochen bekam er 73,5 Prozent. Glaubt dort ernsthaft jemand, dass das in der Auseinandersetzung um die Gunst und die Aufmerksamkeit der Menschen hilft? Es ist eine alte Geschichte, doch bleibt sie immer neu.