Ott an Wüst: "Es geht nicht um das schönste Foto"

Stand: 13.06.2023, 16:12 Uhr

Er ist der neue Gegenspieler von Hendrik Wüst (CDU) im Landtag. SPD-Fraktionschef Jochen Ott wirft dem Ministerpräsidenten nach einem Jahr Schwarz-Grün vor, ambitionslos zu sein.

Von Martin Teigeler

Hendrik Wüst sei der "ambitionsloseste Ministerpräsident", den das Land Nordrhein-Westfalen je gehabt habe, sagte SPD-Fraktionschef Jochen Ott am Dienstag in Düsseldorf bei seiner Zwischenbilanz zu einem Jahr Schwarz-Grün. Auch frühere Ministerpräsidenten hätten Fehler gemacht, aber sie hätten für etwas "gebrannt". Ott: "Wofür steht Wüst?"

Ott will Wüst "stellen"

Dick aufgetragene Kritik am Regierungschef gehört zur Jobbeschreibung eines Oppositionspolitikers. Jochen Ott, noch frisch im Amt des SPD-Fraktionschefs im Landtag, ließ sich entsprechend nicht lumpen bei seinem Zwischenzeugnis für Schwarz-Grün. Zumal Ott der Ruf vorauseilt, der Abteilung Attacke anzugehören.

Vokabeln wie "Totalausfall" und "Koalition der enttäuschten Hoffnungen" dürfen da nicht fehlen, genauso wie die Ansage, den nach Ansicht mancher Beobachter eher präsidial regierenden Wüst bei öffentlichen Debatten inhaltlich "stellen" zu wollen.

Ott forderte Wüst auf, den "Schlafwagen" zu verlassen und listete wunde Punkte und Misserfolge von Schwarz-Grün auf. Er nannte unter anderem das "Brückendesaster" rund um die Rahmedetalbrücke an der Autobahn 45, die "chaotische" Haushaltspolitik sowie die Pannen beim Zentralabitur. Die schwarz-grüne Landesregierung war Ende Juni 2022 an den Start gegangen.

Grüne werden eher geschont

Schwarz-Grün sei eine "konservative Regierung im Standby-Modus", sagte der Sozialdemokrat und warf den grünen Kabinettsmitgliedern vor, hinter dem Ministerpräsidenten "verschwunden" zu sein. Die Regierung Wüst sei keine Regierung für Menschen, die sich Sorgen um ihre Mieten, steigende Preise oder die Bildungschancen ihrer Kinder machen müssten.

Tweets, Krach, Ott: Endlich wieder Leben in der Landtags-Bude WDR RheinBlick 26.05.2023 28:13 Min. Verfügbar bis 24.05.2029 WDR Online

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Die Grünen-Ministerinnen und -Minister kritisierte Ott eher am Rande, während der Ministerpräsident klar im Fokus der politischen (Jahres-)Abrechnung stand. Vielleicht lag's auch daran, dass die SPD derzeit im Bund mit den Grünen regiert - und die Grünen viele Jahre lang Koalitionspartner der NRW-Sozialdemokraten waren.

Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) | Bildquelle: IMAGO/Rene Traut

"Insta-Ministerpräsident" - so nannte Ott Wüst erneut. Eine Anspielung auf den Social-Media-Auftritt von Hendrik Wüst. Es gehe aber in der Politik nicht um einen Wettbewerb um die schönsten Fotos, sondern um die besten Ideen für das Land, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende.

Dringender Appell an Wüst und Merz

Auffällig war, dass sich Ott auf klassische sozialpolitische Themen konzentrierte. Er forderte mehr Hilfen gegen hohe Energiekosten, Landesgeld für bezahlbare Mietwohnungen sowie die Abschaffung von Gebühren im Bildungsbereich. Emotional geriet Otts Appell an Wüst, auf Unionsfraktionschef Friedrich Merz einzuwirken, damit im Bundestag eine Regelung zur Übernahme alter Schulden von armen Kommunen zustandekommt. Hierbei gehe es um die Akzeptanz von Demokratie, so Ott. Der Staat müsse finanziell in der Lage sein, seinen Aufgaben für die Menschen nachzukommen.

Seit Jahren ringen Politiker um eine Altschuldenlösung für finanzschwache Kommunen. Dies hatte die Ampel-Regierung in Berlin auch in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Zur Umsetzung ist aber eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag nötig. Falls keine bundesweite Regelung erzielt wird, hatte Schwarz-Grün im Koalitionsvertrag versprochen, noch 2023 selbst einen Altschuldenfonds für arme NRW-Städte einzurichten.