Windräder: Droht der neue Mechanismus schon zu scheitern?

Stand: 07.09.2023, 16:00 Uhr

Die schwarz-grüne Landesregierung will mehr Windräder aufstellen. Deshalb lässt sie die Regionalräte Vorranggebiete ausweisen. Eine erste Analyse zeigt nun: Dieses Vorgehen hat seine Tücken.

Von Tobias Zacher

Es ist der zentrale Punkt, mit dem die Landesregierung ihre Ziele beim Ausbau der Windenergie erreichen will: Die fünf Regierungsbezirke sowie der Regionalverband Ruhr müssen in ihren Regionalplänen Windenergiegebiete ausweisen.

Dabei gibt das Land den Umfang dieser Windrad-Vorranggebiete in Hektar vor. Wo diese Flächen ausgewiesen werden, ist dann Sache der sechs Regionalplanungsbehörden. So will schwarz-grün die Vorgabe des Bundes erreichen, laut der NRW mindestens 1,8 Prozent der Landesfläche für Windräder ausweisen muss - und zugleich die Akzeptanz in der Region sicherstellen. Die Flächen für Windräder sollen so "gerecht" auf die Regionen verteilt werden. So steht es im Änderungs-Entwurf für den neuen Landesentwicklungsplan.

Zentraler Modus scheint nicht zu funktionieren

Doch nun zeigt sich: Genau dieser zentrale Mechanismus für den Ausbau der Windenergie scheint nicht reibungslos zu funktionieren.

70 Prozent der ausgewiesenen Flächen offenbar nicht geeignet

Als erste der sechs Planungsbehörden hatte der Regionalrat Münster seinen Plan an die neuen Anforderungen des Landesentwicklungsplans angepasst. Der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE NRW) hat sich die darin ausgewiesenen Windenergiegebiete näher angeschaut - und ist schockiert: "Rund 70 Prozent der im Regionalplanentwurf vorgesehenen Flächen sind für die Errichtung neuer Windenergieanlagen nicht nutzbar", bemängelt LEE-Geschäftsführer Christian Mildenberger.

Windräder sind heute doppelt so groß wie vor 20 Jahren

Christian Mildenberger (LEE) | Bildquelle: Landesverband Erneuerbare Energien NRW

Der Grund: Der Münsteraner Regionalplan weist laut LEE massenhaft Flächen aus, die zwar vor rund 20 Jahren geeignet waren - für die damals üblichen Windräder von rund hundert Meter Höhe. Diese älteren Anlagen stehen auch teils seit vielen Jahren auf den ausgewiesenen Flächen. Heute jedoch messen Windräder in der Regel 200 bis 250 Meter, sind also mehr als doppelt so groß. Diese neuen Anlagen erzeugen laut LEE pro Jahr gut die 20-fache Strommenge der kleineren, alten Windräder.

Sie müssen aufgrund ihrer Größe aber auch weiter weg von Gebäuden errichtet werden. Und kleine Anlagen mit einer Größe von circa hundert Metern würden heute von der Industrie schlicht nicht mehr produziert. "Letztlich können auf den im Planentwurf ausgewiesen Flächen keine neuen Windenergieanlagen gebaut werden", kritisiert Mildenberger.

LEE: "Im krassen Widerspruch zur geltenden Rechtslage"

Dies stehe "im krassen Widerspruch zur geltenden Rechtslage, da das Windflächenbedarfsgesetz die Bundesländer verpflichtet, nur Flächen als Windenergiegebiete auszuweisen, die auch tatsächlich nutzbar sind", so Mildenberger. Sein Verband vertritt die Interessen der Unternehmen in der Erneuerbaren-Energien-Branche und befürchtet nun eine negative Signalwirkung für die weiteren fünf Planungsregionen.

Bezirksregierung: Vorwürfe '"schlicht falsch"

Auf Anfrage des WDR weist die Bezirksregierung Münster die Kritik des LEE zurück: "Die Behauptung, rund 70 Prozent der im Regionalplanentwurf Münster ausgewiesenen Flächen für die Windenergie seien ungeeignet, ist sachlich schlicht falsch", teilte ein Sprecher mit. Zwar sei es möglich, dass einige der ausgewiesenen Flächen, auf denen derzeit alte, kleine Windräder stehen, nicht für neue, große Anlagen geeignet sind. In diesen Fällen werde man aber gemeinsam mit den Kommunen neue Flächen finden und ausweisen, so der Sprecher.

Bei der aktuellen Ausweisung gehe es auch darum, "die vorhandenen kommunalen Windenergieplanungen und Leistungen anzuerkennen und in die Regionalplanung zu integrieren." Das Münsterland sei Vorreiter bei der Windenergie. Darüber hinaus habe man bereits Reserven einkalkuliert: 277 Windenergiegebiete mit einer Gesamtfläche von 15.749 Hektar hätten die Regionalplaner in ihrem Entwurf ausgewiesen. Gefordert hatte das Land 12.670 Hektar. "Wir können uns kein Szenario vorstellen, in dem wir unsere Flächenziele nicht erreichen", so der Sprecher der Bezirksregierung.

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Wirtschaftsministerium: Flächen streichen

Das NRW-Wirtschaftsministerium ist für den Landesentwicklungsplan zuständig, und damit auch für den Modus der Windenergiegebiete. Offenbar teilt man im Haus von Ministerin Mona Neubaur (Grüne) die LEE-Befürchtungen zumindest in Teilen. Zwar sei das Vorgehen der Münsteraner Regionalplaner prinzipiell zulässig.

Wichtig sei aber, dass die klimaneutrale Stromerzeugung mit Windrädern auf den ausgewiesenen Flächen "auch für die Zukunft weiter möglich ist", so ein Sprecher auf WDR-Anfrage. "Eignen sich bisher mit älteren und kleineren Windenergieanlagen bebaute Flächen nicht mehr für den Ersatz der alten Anlagen durch modernere, größere Anlagen (Repowering), so sind die Flächen zu streichen und statt dessen eine Neudarstellung geeigneter Windenergiebereiche planerisch vorzusehen", hieß es. Dieser Vorgehensweise stimmte der Regionalrat Münster in seiner Stellungnahme ebenfalls zu.

Regionalpläne sollen alle fünf Jahre überprüft werden - ab wann ist unklar

Ob und gegebenenfalls wann das Wirtschaftsministerium auf die Bezirksregierung Münster zugeht und möglicherweise auf eine Änderung des Regionalplanentwurfs hinwirkt, wollte das Ministerium nicht beantworten. Zur Begründung hieß es, dass die Änderungen des Landesentwicklungsplans noch nicht final beschlossen sind. Es sei jedoch geplant, "die Windenergiebereiche in allen Regionalplänen zukünftig alle 5 Jahre zu überprüfen", so der Sprecher.

Ob die erste Überprüfung in näherer Zukunft stattfindet, oder womöglich erst in fünf Jahren, ist laut Ministerium noch unklar. 2028 jedenfalls wäre die Legislaturperiode schon lange vorbei. Bis zu deren Ende hatte die schwarz-grüne Landesregierung eigentlich tausend zusätzliche Windräder in NRW versprochen.

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