Im ersten Halbjahr 2023 hat es in Nordrhein-Westfalen einen Boom bei Solaranlagen gegeben. Das ergab eine Auswertung des Marktstammdatenregisters, die der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE NRW) am Vormittag veröffentlicht. Dem WDR liegen die Daten bereits exklusiv vor.
Solar-Ausbautempo mehr als verdoppelt
Demnach sind seit Jahresbeginn bis zum Stichtag 26. Juni Solaranlagen mit einer installierten Leistung von 874 Megawatt (MW) neu in Betrieb gegangen. Die Ausbaugeschwindigkeit hat sich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum damit mehr als verdoppelt (1. Halbjahr 2022: 349 MW).
Getrieben wird dieser Zuwachs nach Angaben des LEE von den immer beliebteren Balkon-Solaranlagen. Im bundesweiten Vergleich liegt NRW beim Solar-Zubau nun auf Platz zwei hinter Bayern. Die Zahlen sind vorläufig und können sich bis Ende Juli noch geringfügig verändern.
Windrad-Zubau auf Vorjahresniveau
Durchwachsener ist die Bilanz beim Ausbau der Windkraft: Im ersten Halbjahr wurden 44 neue Windräder mit einer Leistung von 200 Megawatt neu aufgestellt. Das ist nur geringfügig mehr als im ersten Halbjahr 2022 (damals 187 MW). Zugleich wurden auch einige ältere Windräder stillgelegt, sodass der Netto-Zubau bei der Windenergie bei 148 MW liegt. Im Länder-Vergleich steht NRW damit auf Platz drei hinter Schleswig-Holstein und Niedersachsen.
Erneuerbaren-Branche zufrieden mit Schwarz-Grün
Ein Jahr nach Amtsantritt der schwarz-grünen Landesregierung ist der LEE dennoch mit der Koalition zufrieden. "Es scheint ein Ruck durch Nordrhein-Westfalen zu gehen", bilanziert Reiner Priggen, der bis Anfang Mai Vorsitzender des LEE war.
Zu den wirksamen Maßnahmen von CDU und Grünen zählte er den Entwurf des neuen Landesentwicklungsplans, die Abschaffung der Tausend-Meter-Abstandsregel zwischen Windrädern und Wohnbebauung sowie das Klimaschutzpaket.
Er erkenne, dass es der Regierung "Ernst mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien ist". Priggen saß von 2000 bis 2017 für die Grünen im Landtag, war dort unter anderem Fraktionsvorsitzender. Der LEE vertritt die Interessen der Unternehmen aus der Branche der Erneuerbaren Energien.
Für Koalitions-Versprechen muss mehr Tempo her
Die Landesregierung hat sich das Ziel gesetzt, bis 2027 tausend Windräder zusätzlich in NRW aufzustellen. Dafür ist das Ausbautempo nach wie vor zu gering - nötig wäre eine Verdoppelung.
"Wir könnten und müssten längst weiter sein", bewertet André Stinka, der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, die neuen Zahlen, "insbesondere die Windenergie hinkt immer noch hinterher".
SPD fordert Anwohner-Beteiligung an Windkraft-Einnahmen
Die SPD fordert, dass Menschen, die im Umkreis neuer Windanlagen wohnen, an den Einnahmen der Stromproduktion beteiligt werden müssen. So könne man die Fortschritte bei der Energiewende "spürbar" werden lassen.
Hoffnung dürfte der Regierungskoalition vor diesem Hintergrund die aktuelle Zahl der Genehmigungen machen: Im ersten Halbjahr wurden 131 Windkraftwerke mit zusammen 646 MW Leistung genehmigt. Damit ist NRW im Ländervergleich Spitzenreiter.
Bis genehmigte Anlagen auch tatsächlich gebaut sind und in Betrieb gehen, vergehen derzeit rund zwei Jahre. Die nun genehmigten 131 Windräder dürften also erst 2025 Strom produzieren.
"Viel mehr Tempo" bei den Genehmigungsverfahren fordert deshalb Hans-Josef Vogel, der den LEE-Vorsitz im Mai von Priggen übernommen hat. Er war als CDU-Politiker bis 2022 Regierungspräsident des Regierungsbezirks Arnsberg.