Mit den Stimmen von CDU, Grünen und SPD hat der NRW-Landtag am Freitag das Ende der heftig umstrittenen Tausend-Meter-Abstandsregel für Windräder beschlossen. Damit endet eine Ära heißer landespolitischer Auseinandersetzungen. Die schwarz-grün geführte Landesregierung stellt damit die Weichen für den weiteren Ausbau der Windenergie.
170 Abgeordnete beteiligten sich an der namentlichen Abstimmung, 148 von ihnen stimmten für die Abschaffung, 22 dagegen. Die Gegenstimmen kamen aus den Reihen von FDP und AfD. Enthaltungen gab es nicht.
CDU und FDP führten Abstandsgebot ein
Eingeführt worden war die pauschale Abstandsregelung nach der Landtagswahl 2017 von den neuen Koalitionspartnern CDU und FDP. Sie schrieben zunächst einen Mindestabstand von 1.500 Metern für neue Windanlagen zur Wohnbebauung fest. Dieser Kurswechsel in der Energiepolitik brachte den Neubau von Windrädern fast zum Erliegen.
Vier Jahre später, im Juli 2021, musste die schwarz-gelbe Landesregierung wegen einer Gesetzesänderung im Bund den Abstand auf 1.000 Meter verringern. Grüne und SPD, beide in der Opposition, wollten schon damals die Regel ganz kippen.
Der hemmende Effekt, den pauschale Abstandsregeln für Windenergie haben, war schon damals detailliert in bundesweiten Untersuchungen beschrieben worden. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) berechnete in einer Studie, dass mit einem Schlag 42 Prozent mehr Fläche für Windräder in NRW zur Verfügung stünde, wenn der pauschale Mindestabstand zurückgenommen würde.
Doch Schwarz-Gelb hielt an der Regel fest - aus Überzeugung, und um mehr Akzeptanz für Windräder bei der Bevölkerung zu schaffen, wie es damals hieß.
CDU regiert seit Mai 2022 mit den Grünen
Der Regierungswechsel nach der Wahl im Mai 2022 brachte neue Bewegung in die Sache. CDU und Grüne vereinbarten in ihrem Koalitionsvertrag, bis zum Ende der fünfjährigen Legislaturperiode tausend neue Windräder aufzustellen. Eine Abschaffung der Tausend-Meter-Regel konnten die Grünen in den Koalitionsverhandlungen allerdings nicht durchsetzen.
Weiterhin werden zu wenige neue Windräder gebaut
Zwar ist die Zahl neu genehmigter Windräder seit der Regierungsübernahme durch Schwarz-Grün deutlich gestiegen. Dennoch werden bis heute zu wenige neue Anlagen pro Quartal gebaut, um das Tausend-Windräder-Ziel erreichen zu können. Weiterer Druck entstand durch die Energiekrise nach dem russischen Angriff auf die Ukraine.
CDU gibt Widerstand nach rund einem Jahr auf
Mitte Juni dieses Jahres schließlich zeigte das LANUV in einer neuen Flächenanalyse auf, dass es mehr als genug Platz für die nötige Anzahl Windräder in NRW gibt. So gab die CDU schließlich ihren Widerstand gegen die Streichung der Tausend-Meter-Regel auf: In der gleichen Woche stellte Schwarz-Grün ein erstes Klimaschutzpaket vor und brachte ein Gesetz zur Abschaffung des umstrittenen Abstandsgebots ein.
Andere Gesetze zum Schutz der Anwohner bleiben weiter gültig
Der Wegfall der pauschalen Tausend-Meter-Regel bedeutet nicht, dass der Abstand von Windrädern zu Wohnhäusern überhaupt keine Rolle mehr spielt. Denn das Bauordnungsrecht und das Immissionsschutzrecht gelten weiter und müssen beim Bau jedes einzelnen Windrades berücksichtigt werden. Der Unterschied ist: Diese Vorgaben werden im konkreten Einzelfall angewendet und nicht wie ein pauschales Verbot.
"Der Schutz vor Lärmbelastung bleibt weiter bestehen und außerdem ist man auch davor geschützt, dass die Anlagen zu nah an die Wohnbebauung heranrücken", sagte Martin Kment, Professor für Umwelt- und Planungsrecht an der Uni Augsburg dem WDR.
Dabei komme es auf die Höhe der Windkraftanlage an. Wenn man die dreifache Höhe der Anlage als Abstand einhalte, sei das "in Ordnung". Eine Unterschreitung sei eine Einzelfallentscheidung. "Das hat sich so in der Rechtsprechung herausgebildet“, so Kment.
Oppositionspolitischer Coup der SPD
Endet der lange politische Streit also mit einem vollen Erfolg für die Grünen in NRW? Nicht ganz: Es hat schließlich mehr als ein Jahr nach Regierungsbildung gedauert, bis ihre Forderung umgesetzt wurde.
Und der SPD ist ein kleiner oppositionspolitischer Coup gelungen: Sie ließ im März dieses Jahres über einen Gesetzentwurf im Landtag abstimmen, der ein Ende der Abstandsregel vorsah. Das Vorhaben wurde aber mit Regierungsmehrheit abgelehnt - die Grünen stimmten aus Koalitionsdisziplin gemeinsam mit der CDU, die damals noch auf dem Tausend-Meter-Gebot beharrte. Am Freitag nun hat Schwarz-Grün zusammen mit der SPD einen nahezu wortgleichen Gesetzestext verabschiedet.