Nach dem RBB-Skandal: Diskussion über Konsequenzen beim WDR

Stand: 28.08.2022, 13:39 Uhr

Der RBB-Skandal und die Folgen: Könnte so etwas auch beim WDR passieren? Politik und Sender wollen die Aufsicht verbessern. Neue Kontrollgremien soll es aber nicht geben.

Von Daniela Becker und Bernd Neuhaus

Demonstrativ entspannt steht Nathanael Liminski am Rhein. Draufhauen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk möchte der frischgebackene NRW-Medienminister (CDU) nicht. Bei aller Kritik am RBB: Für ihn und die NRW-Landesregierung steht ein grundsätzlicher Umbau beim WDR nicht zur Debatte – erstmal.

Grundsätzlich sei es zwar immer richtig, „ergebnisoffen zu hinterfragen“, ob das Kontrollsystem des WDR so aufgestellt sei, Vorgänge wie beim RBB zu verhindern, sagt Liminski. Aber: Der neue Medienstaatsvertrag, der gerade in der Abstimmung der Bundesländer ist, soll nicht verschärft werden. Auch an das WDR-Gesetz will die Landesregierung bisher nicht ran.

"Nicht alles beklatschen, was aus dem Sender kommt"

Liminski appelliert vor allem an die Eigenverantwortung des Rundfunkrates: "Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass diejenigen, die dort die Mitglieder aussuchen, sich immer wieder im Klaren sind: Es geht hier um Kontrolle, es geht hier um Aufsicht und nicht darum, alles zu beklatschen, was aus dem Sender kommt.“

Der Rundfunkrat ist das Aufsichtsgremium jedes öffentlich-rechtlichen Senders, in den gesetzlich festgelegte, gesellschaftlich relevante Gruppen Mitglieder entsenden.

Ob die Kontrolle ausreicht, steht durch die Vorfälle beim RBB infrage: Versteckte Boni-Zahlungen, überteuerte Einrichtung für die inzwischen entlassene Intendantin Patricia Schlesinger, absurd hohe Rechnungen für angeblich dienstlich veranlasste Abendessen.  

Beim RBB ging es Kritikern zufolge mindestens um den Verlust des moralischen Kompasses, des Gefühls für Anstand. Ob auch mit krimineller Energie vorgegangen wurde, ermittelt derzeit die Staatsanwaltschaft.

Wie umgehen mit Whistleblowern?

Beim WDR gebe es vieles, was besser laufe als beim RBB. Davon ist Alexander Vogt überzeugt, lange Jahre medienpolitischer Sprecher, nun stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD im Düsseldorfer Landtag und gleichzeitig Mitglied des WDR-Rundfunkrates.

Es gebe allerdings mehrere Drehscheiben, an denen nachjustiert werden müsse. "Wie kommen Informationen, wenn einem Mitarbeiter etwas auffällt, was nicht korrekt läuft, auch dort an, wo diese Missstände behoben werden?“, fragt sich Vogt und fordert neue Antworten des WDR.

Verwaltungsrat kontrolliert WDR-Finanzen

Dazu wünscht sich Vogt auch mehr Qualifikation der Rundfunkräte. Dort müssten auch Wirtschaftsprüfer, Richter, Technikexperten sitzen. Vorbild könne der kleinere WDR-Verwaltungsrat sein, der die Finanzen des WDR kontrolliert.

Die Leiterin des Verwaltungsrats, Claudia Schare, gelernte Wissenschaftsjournalistin, findet es in Ordnung, dass sich das Gremium dafür rechtfertigen muss, wie es vor allem die Intendanz des Senders kontrolliert. Zu lasch findet sie diese Kontrolle nicht: „Ich kann sagen, dass wir uns anstrengen, so gut es nur geht, um den WDR gut zu überwachen.“ 

 Tom Buhrow trotz RBB-Skandal „nicht panisch“

„Mich erleben sie nicht panisch,“ sagt WDR-Intendant Tom Buhrow mit Blick auf die Folgen des RBB-Skandals für die gesamte ARD. Gerade erst haben die Intendantinnen und Intendanten laut WDR die Einführung ARD-weiter Compliance-Vorschriften beschlossen, also verbindlicher Verhaltensregeln für finanzielle Ausgaben.

Auch was mehr Kontrolle durch die Gremien angeht, sieht Buhrow die ARD und den WDR „reformbereit und reformwillig“. Er gibt allerdings zu bedenken: „Mehr Kontrolle heißt nicht schlanker. Mehr Kontrolle ist erstmal das Gegenteil von schlanker, weil man muss ja stärkerer Strukturen haben.“ In der öffentlichen Debatte sieht Buhrow das Problem, dass diese Fragen vermischt werden mit grundsätzlicher Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

"Rundfunk ist Ländersache"

Der 63-jährige hat erst einmal wieder den ARD-Vorsitz von Ex-RBB-Intendantin Schlesinger übernommen. Auch er selbst sieht sich mit öffentlicher Kritik konfrontiert - unter anderem wegen der Höhe seines Gehalts von 413.000 Euro jährlich.

Der Medienjournalist und Publizist Hans-Peter Siebenhaar sieht neben viel Aufarbeitungsarbeit in den Chefetagen der Rundfunkanstalten eine große Verantwortlichkeit der Politik. Die habe sich „weitgehend weggeduckt, obwohl sie natürlich die Verantwortung hat. Rundfunk ist Ländersache“.

Kritiker wollen Senderstruktur zerschlagen

Siebenhaar, der als einer der härtesten Kritiker des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gilt, möchte es nicht bei kleineren Reformen der Gremien belassen. Er schlägt eine Fusion von ARD und ZDF vor und die Aufteilung in vier große Sendeanstalten: Nord, Süd, Ost und West.

Er nimmt die Bundesländer in die Pflicht. Die Politik solle sich positionieren, „was denn tatsächlich jetzt geschehen soll“. Die Federführung liegt bei der rheinland-pfälzischen Landesregierung. Die Rundfunkkommission der Länder sitzt in Mainz.

Schwere Erschütterung für die Vertrauensbasis

Auch NRW-Medienminister Liminski weiß, dass der Gesetzgeber in der Verantwortung steht. Allerdings möchte er jeden Anschein vermeiden, die Politik mische sich in das Programm des WDR ein.

„Ich nehme die ARD-Intendanten beim Wort, dass das, was beim RBB passiert ist, ein Einzelfall war“, lautet Liminskis Botschaft an die Senderführung des WDR, „denn der Wiederholungsfall wäre eine schwere Erschütterung für die Vertrauensbasis, die unsere öffentlich-rechtlichen Sender brauchen“.

Auch ein weiterer Medienpolitiker, der sich nicht zitieren lassen wollte, befürchtet, dass ein zweiter „Fall Schlesinger“ dazu führen, dass kein Stein mehr auf dem anderen bliebe und zwar bei jedem öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland.