Die Folgen des Ukraine-Krieges sorgen für Verunsicherung in der Bevölkerung und spiegeln sich auch in Nordrhein-Westfalen in der Bewertung der Wirtschaftslage. Schätzte im Mai immerhin noch die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger im Land die ökonomische Situation positiv ein, bewertet nun gerade noch ein Drittel (33 Prozent) die Wirtschaftslage als sehr gut oder gut. Zwei Drittel (65 Prozent) kommt zu einem kritischen Urteil.
Das ist das Ergebnis des NRW-Trends, den Infratest dimap im Auftrag des WDR-Magazins Westpol erhoben hat. Schlechter wurde die wirtschaftliche Lage in Nordrhein- Westfalen zuletzt nach der Finanzkrise im Mai 2010 bewertet.
Für den NRW-Trend wurden 1.185 Wahlberechtige in Nordrhein-Westfalen im Zeitraum vom 17. bis 20. Oktober telefonisch befragt. Die Antworten sind repräsentativ für alle Wahlberechtigten im Land.
Energie mit Abstand wichtigstes Problem
Mit dem Krieg rückt auch die Frage der Absicherung der Energieversorgung stärker in den Fokus. Nach zehn Prozent im Januar benennen aktuell 37 Prozent der Wahlberechtigten die Energiepolitik als größte Herausforderung für die Politik im Bundesland (+27 Prozentpunkte im Vergleich zu Januar 2022).
Die Energiepolitik führt damit die Problemliste in Nordrhein-Westfalen aktuell an, noch vor schul- und bildungspolitischen Problemen, die mit 18 Prozent knapp jeder Fünfte nennt (minus 4 Prozentpunkte). Für ähnlich viele Menschen (16 Prozent, minus 4) stehen Fragen von Mobilität und Verkehr im Vordergrund, auch wenn beide Themen im Vergleich zum Jahresbeginn leicht an Relevanz verloren haben. Für rund jeden Siebten (14 Prozent, minus 3) spielen Umwelt- und Klimaschutz die wichtigste Rolle.
Deutlich drängender als noch im Januar sind Inflation und Preissteigerungen (12 Prozent, plus 10 Prozentpunkte) sowie Wirtschaftsfragen (11 Prozent, plus 7). Stärker ins Bewusstsein gerückt ist auch das Thema Flüchtlinge und Migration (12 Prozent, plus 4). Fragen zu sozialer Gerechtigkeit bewegen derzeit jeden Zehnten (plus 2 Prozentpunkte).
Unterstützung für Braunkohleausstieg im Jahr 2030
Trotz der Sorge um die Sicherung der Energieversorgung unterstützt die Hälfte der Wahlberechtigten in Nordrhein-Westfalen (50 Prozent) einen vorgezogenen Ausstieg aus der Braunkohleförderung im Jahr 2030, wie jüngst von der Politik beschlossen.
Ein Fünftel (22 Prozent) wäre für eine Fortführung bis zum Jahr 2038 gewesen, ähnlich viele (20 Prozent) für eine längere Braunkohleförderung über das Jahr 2038 hinaus.
Unterstützung für Braunkohleausstieg besonders bei Grünen
Nicht überraschend sprechen sich insbesondere die Anhänger der Grünen zum weit überwiegenden Teil (90 Prozent) für ein vorgezogenes Ende der Braunkohleförderung aus, während die Anhänger der AfD mehrheitlich (62 Prozent) für eine längere Braunkohleförderung plädieren.
Hälfte der Bürgerinnen und Bürger bewertet Schwarz-Grün kritisch
Die schwarz-grüne Landesregierung, die Ende Juni ihr Amt angetreten hat, tut sich im aktuellen Krisenumfeld schwer, Vertrauen in der Bevölkerung aufzubauen. Mit der Arbeit des Kabinetts aus CDU und Grünen sind aktuell 42 Prozent der Wahlberechtigten zufrieden, die Hälfte (51 Prozent) äußert sich kritisch. Die amtierende Landesregierung wird in der aktuellen Situation damit schlechter bewertet als die schwarz-gelbe Landesregierung im Vorfeld der Landtagswahl im Mai.
Ein mehrheitlich positives Zeugnis stellen Anhänger der CDU (68 Prozent) dem von Hendrik Wüst geführten Kabinett aus, ebenso die Anhänger der mitregierenden Grünen (63 Prozent). Die Anhänger der FDP (42 zu 51 Prozent) und SPD (40 zu 58 Prozent) kommen überwiegend zu einem kritischen Urteil. Die Anhänger der AfD gehen nahezu geschlossen (3 zu 95 Prozent) auf Distanz zur Landesregierung.
Schwarz-Grün bei Sonntagsfrage mit Mehrheit
Gut fünf Monate nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen liegt die Koalition aus CDU und Grünen in der Wählergunst weiter vorn. Wenn an diesem Sonntag Landtagswahl wäre, könnte Schwarz-Grün die Mehrheit im Landtag von Nordrhein-Westfalen verteidigen.
Die CDU unter Ministerpräsident Hendrik Wüst käme demnach auf 32 Prozent der Stimmen. Das ist weniger als die 35,7 Prozent, die sie bei der Landtagswahl im Mai erzielte, sie bleibt damit aber stärkste politische Kraft im Land. Gleiches gilt für die SPD, die bei einer Wahl zum jetzigen Zeitpunkt mit 23 Prozent (Mai 2022: 26,7 Prozent) rechnen könnte. Besser als im Mai würden die Grünen mit derzeit 22 Prozent (18,2 Prozent) und die AfD mit derzeit 9 Prozent (5,4 Prozent) abschneiden. Die FDP läge aktuell mit fünf Prozent auf der Mandatsschwelle (5,9 Prozent). Alle anderen Parteien kämen zusammengenommen auf 9 Prozent.
Ministerpräsident Wüst überzeugt die Hälfte der Bürger
Bei der Politikerzufriedenheit überzeugt Ministerpräsident Hendrik Wüst aktuell die Hälfte der Bürger (51 Prozent; plus 3), knapp ein Drittel (31 Prozent) ist hingegen weniger oder gar nicht zufrieden mit seiner politischen Arbeit. Trotz seiner vergleichsweise kurzen Amtszeit von etwa einem Jahr liegt der Nachfolger von Armin Laschet im bundesweiten Vergleich der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten damit im Mittelfeld und ist in Nordrhein-Westfalen der populärste Landespolitiker.
Wüsts grüne Stellvertreterin, Wirtschaftsministerin Mona Neubaur, konnte seit Mai zwar an Ansehen gewinnen und stößt bei gut einem Viertel auf ein positives Urteil (27 Prozent; plus 5). Ebenso viele üben allerdings Kritik an ihrer Arbeit (27 Prozent), knapp der Hälfte der Bürger (46 Prozent) ist sie noch nicht bekannt.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Kutschaty hat seit Mai an Zustimmung verloren (26 Prozent, minus 12), es überwiegt das kritische Urteil (36 Prozent). Die übrigen Oppositionspolitiker sind mit erheblichen Bekanntheitsdefiziten konfrontiert. So ist der FDP-Fraktionsvorsitzende Henning Höne mehr als drei Vierteln der Bevölkerung unbekannt (79 Prozent). Bei denen, die sich ein Urteil erlauben, überwiegt die Kritik das Lob (7 zu 14 Prozent). Gleiches gilt für den AfD-Fraktionsvorsitzenden Martin Vincentz. Dem Gros der Bevölkerung ist er kein Begriff (82 Prozent), auch bei ihm überwiegt das kritische Urteil (6 zu 12 Prozent).
Mehrheit will 49-Euro-Ticket eher nicht nutzen
Bund und Länder haben sich darauf verständigt, als Nachfolge des 9-Euro-Tickets ein 49-Euro-Ticket anzubieten. In Nordrhein-Westfalen beabsichtigt der Umfrage zufolge lediglich ein Drittel der Bürger (31 Prozent), dieses Angebot zu nutzen, wobei 14 Prozent das Ticket auf jeden Fall, 17 Prozent eher nutzen möchten. Zwei Drittel (66 Prozent) wollen das Ticket hingegen voraussichtlich nicht (33 Prozent) oder auf keinen Fall (33 Prozent) nutzen. Unter Jüngeren ist die Absicht, das Angebot zu nutzen, höher als unter Älteren. Ein Viertel der 18- bis 34-Jährigen (24 Prozent) möchte es auf jeden Fall nutzen, ein weiteres Fünftel (19 Prozent) kann es sich vorstellen.
Über den NRW-Trend berichtet der WDR am 23.10.2022 unter anderem in der Sendung Westpol.