Bund und Länder haben sich Anfang November auf eine Nachfolgeregelung für das Neun-Euro-Ticket im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) aus dem Sommer geeinigt - und zwar auf das "Deutschlandticket" zu einem "Einführungspreis" von 49 Euro pro Monat. Doch noch gibt es Unklarheiten. Die Verkehrsminister von Bund und Ländern haben am Dienstag erneut darüber beraten. Nun gibt es ein bisschen mehr Klarheit.
Wann soll das 49-Euro-Ticket kommen?
Das war zuletzt der größte Knackpunkt und ist noch immer nicht endgültig geklärt. Zunächst hatte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) als Ziel Anfang 2023 genannt. Inzwischen sagt er, es solle "so schnell wie möglich" kommen. Der 1. Januar sei als Ziel nicht mehr zu halten, sagte NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) dem WDR.
Nach dem Treffen der Verkehrsminister sagte die Bremer Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne), dass die Länder nun den 1. April "anstreben". Der Jahresanfang sei "deutlich zu ambitioniert" gewesen. Denn die organisatorische, rechtliche und finanzielle Umsetzung sei eine "große Herausforderung". Der April sei nun "realistisch". "Wenn es früher kommt, freuen wir uns alle." "Spätestens" solle es aber der 1. April werden. Einen endgültigen Starttermin gibt es also noch immer nicht.
Im Vorfeld hatte der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) große Zweifel an einem schnellen Start geäußert. "Der Zeitpunkt des Beginns wird der 1. Mai sein", prognostizierte VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Viel früher sei es nicht möglich, denn es gebe für die Vorbereitung noch viel zu tun. So müssten etwa die Tarifsysteme der unterschiedlichen Verkehrsverbünde umgestellt werden.
Wie sieht die Finanzierung aus?
Auch da gibt es noch Diskussionen. Geklärt ist bereits, dass der Bund ab 2023 jährlich 1,5 Milliarden Euro zum Verlustausgleich zur Verfügung stellt. Die Länder beteiligen sich in derselben Höhe. Doch inzwischen zeichnet sich ab, dass die drei Milliarden Euro nicht ausreichen könnten. Laut der Bremer Verkehrssenatorin, die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz ist, stehen mögliche zusätzliche 1,7 Milliarden Euro im Raum. Wie viel es am Ende seien, hänge davon ab, wie viele Tickets verkauft würden.
Für den Fall, dass wirklich mehr Geld benötigt wird, erklärten sich die Länder am Dienstag dazu bereit, auch da die Hälfte zu finanzieren. Von Bundesverkehrsminister Wissing habe es aber keine Zusage gegeben, dass das auch für den Bund gelte, sagte Schaefer. Dazu müssten die Ministerpräsidenten noch einmal mit dem Bundeskanzler beraten.
Zusätzlich stellt der Bund schon ab 2022 eine Milliarde Euro zusätzlich an Mitteln für Erhalt und Ausbau des Nahverkehrs zur Verfügung - diese werden jährlich um drei Prozent erhöht. Die Länder verweisen auf die erwarteten Einnahmeausfälle wegen des 49-Euro-Tickets und die stark gestiegenen Energiekosten. Sie warnen vor diesem Hintergrund vor Einschränkungen des Angebots.
"Mit dem zugesagten Geld werden die Länder das Verkehrsangebot kaum halten, geschweige denn ausbauen können", sagte Krischer im Vorfeld der Treffens. Die Krefelder Stadtwerke warnten etwa davor, dass Angebote sogar gekürzt werden müssten, falls die Zuschüsse nicht erhöht werden: Linien würden ausgedünnt und Taktzeiten reduziert.
Könnte der Preis für das 49-Euro-Ticket theoretisch bald steigen?
Ja. Die Verkehrsminister planen für das 49-Euro-Ticket eine Einführungsphase von zwei Jahren. Ab dem zweiten Jahr könnte das Ticket teurer werden. Geplant ist eine "Dynamisierung" in Form eines automatischen Inflationsausgleichs.
Wie würde sich die Tarifstruktur verändern?
Das 49-Euro-Ticket soll nur eine weitere Abo-Option sein, die monatlich kündbar ist. Aber: Verkehrsminister Wissing rechnet damit, dass sich viele Ticket-Varianten dann nicht mehr verkaufen lassen. "Viele Tarife werden sich in Luft auflösen, weil die Nachfrage danach verschwindet", mutmaßt er.
Was mit welchen Abo-Angeboten in NRW passiert - zum Beispiel mit Job-Tickets - steht noch nicht fest. "Das wird natürlich unser Sortiment auf den Kopf stellen", meint Holger Klein vom Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS). "Wir werden genau beleuchten und schauen, was der Kunde möchte". Die Gefahr, dass sich jemand noch vor Einführung des neuen Tickets an ein deutlich teureres Abo bindet, sieht er nicht. Denn: "Unsere Abos sind alle monatlich kündbar."
Auch VRR-Vorstand José Luis Castrillo erwartet, dass sich die Tarifangebote grundlegend verändern: "Wenn wir bundesweit gültige Abos für 49 Euro verkaufen, kann ich mir Einzelfahrten für fünf oder acht Euro für eine Fahrt schwer vorstellen", zitiert ihn die "Rheinische Post".
Werden nun alle 49-Euro-Tickets kaufen, die ein Abo-Ticket benötigen?
"Nicht jeder wird dieses neue Ticket haben wollen", glaubt Klein vom VRS. Semestertickets etwa werden bereits schon deutlich günstiger angeboten. Außerdem hätten andere Tarife andere Möglichkeiten, etwa Mitfahrer mitzunehmen. Ob das mit dem 49-Euro-Ticket möglich sein wird, ist unklar.
Wird es die Möglichkeit geben, durch Upgrades auch Fernverkehrszüge nutzen zu können?
Das ist offenbar nicht geplant. Auch das 9-Euro-Ticket war ausschließlich im Nahverkehr nutzbar. "Das wird genauso sein", erklärte Wissing bei der Vorstellung des 49-Euro-Tickets. Es werde nicht gelten für den IC, ICE oder Eurocity.
Welche Kritik gibt es am 49-Euro-Ticket?
Vielen ist das 49-Euro-Ticket zu teuer. "Der öffentliche Nahverkehr muss für alle erschwinglich sein, unabhängig vom Einkommen", teilten etwa die Verbraucherzentralen mit. Insbesondere Empfängern von Transferleistungen, aber auch Geringverdienenden ohne staatliche Leistungen helfe ein 49-Euro-Ticket wenig.
Eine 29-Euro-Lösung wäre eine gute Nachfolge für das 9-Euro-Ticket gewesen, erklärte Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK. Auch aus Sicht des Fahrgastverbands Pro Bahn ist ein 49-Euro-Ticket für einkommensschwache Menschen nach wie vor zu teuer.
Über dieses Thema berichten wir im WDR am 29.11.2022 auch im Fernsehen: WDR aktuell, 12:45 Uhr.