"Der Traum eines Nationalparks in NRW ist vorerst ausgeträumt" - mit getragener Stimme eröffnete der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion René Schneider am Donnerstag eine Aktuelle Stunde im Landtag, die seine Partei beantragt hatte.
Per Bürgerentscheid war am Sonntag in Kleve die Entscheidung gefallen: Eine Mehrheit von 52,7 Prozent hat gegen die Einrichtung eines Nationalparks Reichswald gestimmt. Damit scheint auch der letzte mögliche Standort für einen zweiten Nationalpark in Nordrhein-Westfalen vom Tisch. Zuvor hatten bereits fünf andere Regionen abgesagt.
Die Grünen in der Regierungskoalition hätten sich nicht genug dafür eingesetzt, die Bürger in Kleve von dem Projekt zu überzeugen, sagte Schneider (SPD). Und sie hätten den Koalitionspartner CDU dabei gewähren lassen, das Projekt "von Tag eins an" zu hintertreiben, "weil der Nationalpark der eigenen Klientel vor Ort nicht passt", so Schneider.
Landwirtschaftsministerin möchte lukrative Windräder bauen
Tatsächlich hatte CDU-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen in einem Bericht an den Umweltausschuss im November dargelegt, dass für den Reichswald bereits Vorverträge mit Windrad-Betreibern geschlossen worden seien, die dem Land Einnahmen von jährlich rund drei Millionen Euro bescheren würden. Als Nationalpark wäre das Gebiet für Windräder aber tabu.
FDP-Mann Dietmar Brockes sprach von gezielter Einflussnahme mehrerer CDU-Landtagsabgeordneter im Kreis Kleve, um im Vorfeld des Bürgerentscheids Stimmung gegen den Nationalpark zu machen. Vom örtlichen Wasserversorger seien Warnungen vor möglichen Einschränkungen bei der Versorgung der Menschen mit Trinkwasser aus dem Reichswald ausgegangen.
Brockes wertete das als "Vertrauensbruch" zwischen den Koalitionspartnern. Den Grünen in der Regierung fehle der Mut, gegen die CDU "für ihre Positionen gerade zu stehen".
Grüne wollen Landwirtschaft nicht einschränken
Auch der umweltpolitische Sprecher der Grünen, Volkhard Wille, war überzeugt davon, dass in Kleve massiv "Ängste geschürt" worden seien - nicht nur seitens der Stadtwerke. Dennoch müsse man das Ergebnis der Abstimmung akzeptieren. Wenn die Landwirtschaft vor Ort durch einen Nationalpark eingeschränkt würde, sei das "nicht sinnvoll", so Wille.
Es klang einmal mehr wie der Versuch der Grünen, sich für eine Position der Landesregierung zu rechtfertigen, die eigentlich nie zur Agenda der Umweltschutzpartei gehörte.
Landesumweltminister Oliver Krischer (Grüne) zeigte sich offen dafür, dass es irgendwann vielleicht doch noch einen zweiten Nationalpark in NRW geben könnte: Wenn eine Region in Zukunft Interesse hätte, werde sie "bei dieser Landesregierung immer eine offene Tür finden". Das Thema sei noch nicht beendet. Aber es mache "keinen Sinn, einen Nationalpark einzurichten, wenn die Mehrheit in der Region das nicht will."
Opposition hört es knistern bei Schwarz-Grün
Immer wieder während der Debatte stichelte die Opposition: Der Prozess um das Scheitern des Nationalparks zeige, wie es um die Stimmung innerhalb der schwarz-grünen Koalition stehe. Die Grünen hätten nie versucht, bei strittigen Themen Konflikte mit dem Partner CDU auszutragen, sagte FDP-Mann Brockes.
Insofern bemerkenswert war die Bemerkung des Grünen Norwich Rüße, der zum Schluss - in Richtung Ministerpräsident Henrik Wüst (CDU) gewandt - sagte: "Ich erwarte von dieser Landesregierung und vom Ministerpräsidenten, dass wir jetzt beim Naturschutz angesichts dieser Aufgabe Artenschutz in die Pötte kommen." Er könne den Kollegen den Vorwurf nicht ersparen: Gerade angesichts von Fakenews und Unwahrheiten, die von Regionalpolitikern verbreitet worden sein sollen, wäre eine "ehrliche Debatte" wichtig gewesen, sagte Rüße.
"Da muss man das Regionale auch mal hinten anstellen und für das Land NRW sagen, dass man einen Nationalpark will." Von der Landesregierung, so Rüße, müsse jetzt das Signal kommen, dass zumindest die anderen im Koalitionsvertrag angekündigten Naturschutzprojekte umgesetzt werden.
Quellen:
- Debatte "Aktuelle Stunde" im NRW-Landtag am 19.12.2024
Über dieses Thema berichten wir am 19.12.2024 ab 17.04 Uhr auch im Radio auf WDR 5.