Peer Steinbrück und Mona Neubaur haben etwas gemeinsam: Beide sind nicht in NRW geboren und sind dennoch Spitzenkandidaten ihrer Parteien im bevölkerungsreichsten Bundesland geworden. Ähnlich wie einst dem Norddeutschen Steinbrück in der SPD ist es der Süddeutschen Mona Neubaur bei den Grünen gelungen, in NRW politisch Karriere zu machen.
Wenn Neubaur spricht, hört man es manchmal noch: Die Grünen-Politikerin kommt gebürtig aus Pöttmes, einem kleinen Ort in Bayern. Als Studentin war sie 1997 nach Düsseldorf gekommen. Sie arbeitete für einen Öko-Energieversorger, dann für die grünen-nahe Böll-Stiftung und engagierte sich im Orts- und später im Landesverband der Partei. Als "echte Teamplayerin" habe sie Karriere gemacht, sagt ein langjähriger Weggefährte.
Offen in der Koalitionsfrage
"Wir brauchen Politikerinnen und Politiker, die wirklich auf Augenhöhe mit den Menschen sprechen, die zuhören, die nach den jahrelangen Erfahrungen der Pandemie jetzt verstanden haben, es geht nicht über die Köpfe und Interessen der Menschen hinweg, sondern im Interesse der Menschen Brücken zu bauen, Lösungen zu finden, um die Probleme des Status quo zu lösen": Mona Neubaurs Rhetorik im Wahlkampf ist herzlich, wenn auch manchmal hart an der Grenze zur Floskel und erinnert stellenweise an die Schachtelsätze und das Erneuerungs-Pathos eines Robert Habeck.
Radelnd ist sie zu sehen auf Grünen-Wahlplakaten - genauso wie der Radfahrer und Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Das vage, vieldeutige "Brücken bauen" kann auch koalitionspolitisch verstanden werden. Schwarz-Grün wird von Neubaur nicht ausgeschlossen. Vieles erscheint möglich nach der Wahl.
Die Offenheit in der Koalitionsfrage dürfte auch eine Lehre aus der Grünen-Geschichte in NRW sein. Zweimal hat die Partei mit der SPD regiert. 2005 und 2017 endeten diese rot-grünen Regierungszeiten jeweils mit schwachen Wahlergebnissen bei sechs Prozent. Die Neupositionierung der Grünen hat Neubaur ab 2014 als Co-Landesvorsitzende schrittweise mit begleitet - mit einer Fokussierung auf das Leitthema Klimaschutzpolitik. 2020 bei der Kommunalwahl gelangen der Partei bereits große Erfolge.
Ganz offensichtlich zielt Neubaur auf Wählerinnen und Wähler der sogenannten bürgerlichen Mitte - ähnlich wie Annalena Baerbock bei ihrer gescheiterten Kanzlerkandidatur 2021. Wobei Neubaur im Wahlkampf gar nicht erst forsch den Chefsessel in der Staatskanzlei anpeilt, was von Realismus zeugt angesichts der Umfragewerte zwischen 14 bis 18 Prozent.
Mitregieren aber, das wollen die Grünen dann schon. Nicht allen in der Partei gefällt Neubaurs Kurs: Die Parteijugend forderte mit den SPD-Jusos unlängst eine Festlegung auf Rot-Grün. Nur so sei eine echte Transformation in der Klimapolitik möglich. Neubaur aber blieb bei ihrem offenen Kurs.
Im Fußballstadion, im Biergarten, auf der Demo
Neubaur ist eine Politikerin, die man in Düsseldorf auch mal im Fußballstadion antrifft - im ganz normalen Fanblock. Nach einem stressigen Parteitag sitzt sie bei Kaltgetränk und Zigarette mit Vertrauten in einem Biergarten nahe des Düsseldorfer Bahnhofs. Bei Demos gegen Neonazi-Aufmärsche ist Neubaur regelmäßig zu sehen - auch wenn keine Kameras dabei sind.
Vorbild Lisa Simpson
Als Vorbild gibt Mona Neubaur eine Figur aus einer TV-Serie an: “Lisa Simpson ist emphatisch und hat das Herz am rechten Fleck, sie ist hoch intelligent, vielseitig interessiert, musisch extrem begabt und politisch das, was man im besten Sinne progressiv nennen würde."
Der vielleicht härteste Teil des Wahljahres steht für Neubaur noch an: wenn die Stimmen ausgezählt sind. In welcher Konstellation und mit wie viel Reformeifer sollen die Grünen wieder regieren? Diese Frage könnte Streit innerhalb der Partei auslösen. Aber das wäre dann ein politisches Luxusproblem, wenn man es mit dem Schicksal von Peer Steinbrück vergleicht. Der fuhr bei seiner einzigen Spitzenkandidatur als "Zugezogener" 2005 eine historische Wahlpleite ein. Ähnliches ist bei Mona Neubaur gerade nicht zu erwarten.