Das Land NRW sieht sich beim Thema Inklusion, also der gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, auf einem guten Weg. Das geht aus einer Antwort von Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) auf eine "Große Anfrage" der SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag hervor. Allerdings bliebe auch "noch viel zu tun und zu erreichen", schränkte Laumann dabei ein.
Die SPD-Opposition hatte einen Fragenkatalog mit mehr als 200 Fragen zur Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen in NRW eingereicht. Die Antwort fällt mit fast 1.400 Seiten umfänglich aus.
Bevölkerungsanteil von ca. 12,7 Prozent
Demnach leben in NRW derzeit mehr als 2,3 Millionen Menschen mit einer Schwerbehinderung, also einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50. Von ihnen sind 1,17 Millionen Frauen und 1,13 Millionen Männer. Insgesamt bilden sie etwa 12,7 Prozent der Bevölkerung.
Die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf ist nach Angaben der Landesregierung in den vergangenen vier Jahren um 6,06 Prozent auf 160.977 gestiegen. Davon wurden im vergangenen Schuljahr 69.591 Schülerinnen und Schüler an allgemeinen Schulen unterrichtet, also etwa 45 Prozent. 55 Prozent besuchen eine Förderschule.
Fast jeder fünfte Schüler mit Behinderung hat die Schule ohne Abschluss verlassen. 198 Schülerinnen und Schüler haben das Abitur geschafft.
Mangel an sonderpädagogischen Fachkräften
Besonders im Bildungsbereich zeige sich, dass Schüler und Schülerinnen mit Handicap nicht dieselben Chancen hätten wie andere, kritisierte Silvia Gosewinkel, Inklusionsbeauftragte der SPD-Landtagsfraktion, die Maßnahmen der Landesregierung. Notwendig sei etwa die Einstellung von mehr sonderpädagogischen Fachkräften an den Schulen.
Auf Grundlage der Antworten der Landesregierung hat die SPD-Fraktion errechnet, dass es derzeit 2.150 unbesetzte sonderpädagogische Stellen in NRW gibt. Zudem würden viele Fachkräfte in absehbarer Zeit in Rente gehen, so Gosewinkel. Sie forderte deshalb unter anderem bessere Rahmenbedingungen beim gemeinsamen Lernen sowie frühere Schuleingangsuntersuchungen. Kinder müssten schon mit viereinhalb Jahren auf ihren Entwicklungsstand untersucht werden, so die Inklusionsbeauftragte.
SPD kritisiert Einsparungen im Landeshaushalt
Die SPD kritisierte zudem eine unzureichende Inklusion auf dem Arbeitsmarkt. Die Chance auf eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt wäre in NRW noch weit von einer Selbstverständlichkeit entfernt. In NRW arbeiten knapp 72.000 Menschen mit Behinderung in Werkstätten.
Die Arbeitslosenquote von Menschen mit Behinderung liege in NRW mit 13,8 Prozent doppelt so hoch ist wie die allgemeine Arbeitslosenquote, kritisierte Silvia Gosewinkel - und verwies dabei auf Kürzungen im Landeshaushalt 2025. Bei den Maßnahmen zur beruflichen Inklusion hat die SPD finanzielle Einschnitte von fast 5,27 Millionen Euro errechnet. Das wäre ein Rückgang von mehr als einem Fünftel (21,1 Prozent) gegenüber dem Haushaltsjahr 2024.
Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen
Auch beim Schutz von Menschen mit Behinderung vor Gewalt sieht die SPD bei der Landesregierung Nachholbedarf: "Gerade der Schutz und die Stärkung von Mädchen und Frauen mit Behinderung wird vernachlässigt", kritisiert die SPD. So seien im vergangenen Jahr rund 1.100 Menschen mit Behinderung Opfer von Gewalttaten geworden. Die SPD vermutet hier eine große Dunkelziffer und forderte das Land auf, eine spezialisierte Dunkelfeldanalyse zu dem Thema durchführen. Auch mehr barrierefreie Frauenhäuser sowie barrierefreie Beratungsangebote stehen auf der Forderungsliste der SPD-Opposition.
Hintergrund: Das Inklusionsstärkungsgesetz (IGG)
Mit dem Inklusionsstärkungsgesetz (IGG) NRW wurden 2016 diverse für die Inklusion wesentliche Gesetze in NRW zusammengefasst. Im IGG werden die Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention in landesrechtlichen Vorschriften umgesetzt.