An der Gesamtschule Jüchen wird Inklusion gelebt. Pro Klasse werden mindestens drei Kinder mit besonderem Förderbedarf gemeinsam mit anderen unterrichtet. Das schafft eine Lehrkraft allerdings nicht alleine und da Sonderpädagogen fehlen, gibt es Inklusions-Assistentinnen wie Sabrina van Ganswinkel. Die gelernte Erzieherin ist 20 Stunden pro Woche mit in den Klassen.
"Die Kinder mit Förderbedarf lassen sich leicht ablenken", erzählt Sabrina van Ganswinkel. Wenn sie sich daneben setze, klappe es mit der Konzentration meistens besser. Mit Kindern, die sehr unruhig seien, gehe sie auch während des Unterrichts einfach mal auf den Hof, damit sie sich abreagieren könnten. So kann die Lehrkraft in Ruhe weiter unterrichten.
Immer mehr Kinder und Jugendliche mit Förderbedarf
Die Zahl der Kinder mit Einschränkungen nimmt in NRW seit Jahren zu. Im vergangenen Schuljahr waren es rund 158.500. Das sind neun Prozent mehr als 2018. Davon besuchen fast die Hälfte (44 Prozent) Regelschulen, die anderen gehen auf Förderschulen. Der größte Teil hat Lernschwierigkeiten, gefolgt von der Gruppe mit emotionalen Entwicklungsstörungen.
Kommunen können Investitionen nicht alleine schaffen
Um den Rechtsanspruch auf gemeinsamen Unterricht zu erfüllen, müssen die Kommunen viel in die Schulgebäude investieren: Zusätzliche Räume zum Lernen schaffen, Barrierefreiheit herstellen. Das Land hat sich gesetzlich verpflichtet, das mit zu finanzieren. Jüchen hat in diesem Jahr für seine Schulen etwa 95.000 Euro vom Land bekommen, wie die Stadt dem WDR mitgeteilt hat. Landesweit sind für Investitionsvorhaben 35 Millionen Euro eingeplant. Doch im kommenden Jahr will das Schulministerium nur noch zehn Millionen Euro dafür ausgeben.
In der Gesamtschule Jüchen weiß Schulleiterin Susanne Schumacher nicht, wie sie den damit verbundenen Ausfall der Inklusions-Assistentinnen kompensieren sollte. Das müssten letztendlich die Kinder ausbaden. Es wäre gegen den Inklusionsgedanken, so die Schulleiterin.
Doch nicht nur die Schulen sind von den Kürzungen betroffen, sondern auch die Kommunen.
Inklusionspauschale bei Null
Kinder mit anerkanntem Förderbedarf haben gesetzlich einen Anspruch darauf, eine Regelschule zu besuchen und dafür einen so genannten Inklusionshelfer von der Kommune zu bekommen. So steht es im Sozialgesetzbuch (SGB VIII, Paragraph 35a) .
Doch in der Praxis funktioniert das nicht so einfach. Deshalb gibt es vom Land noch eine Inklusionspauschale für zusätzliche Inklusionsassistenten. Auch das ist gesetzlich geregelt. Zuletzt war die Pauschale auf 47 Millionen Euro im Jahr 2022 gestiegen. Doch für den kommenden Haushalt ist für Inkulsionsassisten gar kein Geld mehr vorgesehen.
Land will erst wissen, wie viel Kommunen wofür ausgeben
Dass das Geld ausgerechnet jetzt gekürzt wird, ist für viele Beteiligte unverständlich. Denn aktuell läuft noch eine wissenschaftliche Überprüfung des bisherigen Verfahrens. Das Land will so herausfinden, wieviel die Kommunen wofür ausgeben.
Helmut Dedy, Geschäftsführer des Städtetags NRW, hält es für falsch ausgerechnet in der Überprüfungsphase die Gelder zu streichen. „Das bedeutet nämlich, dass uns die Leute verloren gehen, ohne die das Ganze nicht funktioniert, das sind nämlich die Schulassistenten und Schulassistentinnen“, so Dedy.
SPD wirft Schulministerin Ignoranz gegenüber Betroffenen vor
Auch aus der Opposition kommt Kritik: Die Kürzungen bei der Inklusion im Haushaltsentwurf 2024 seien politisch nicht zu rechtfertigen, erklärt Silvia Gosewinkel, Inklusionsbeauftragte der SPD-Landtagsfraktion. Die Landesregierung betreibe nur Stückwerk und habe kein Gesamtkonzept für die Inklusion so ihr Vorwurf.
Schulministerin Dorothee Feller (CDU) räumte gegenüber dem WDR ein, dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst sei und ihre finale Entscheidung vom Ergebnis der Überprüfung abhängig machen will. Wenn das Ergebnis sein sollte, dass wir etwas machen müssen, dann würden sie das auch tun, so Feller.
Und: Bis zum 01. Februar 2024 würden ja bisher bewilligte Gelder an die Kommunen fließen. Ob und wie viel Geld am Ende womöglich doch noch in die Kommunen und Schulen für die Inklusion fließt, ist also noch offen.
Über das Thema berichten wir auch am 17.09.2023 in Westpol, ab 19:30 Uhr im WDR Fernsehen..