Der Investitionsstau in NRW beläuft sich laut einer Studie im Auftrag des DGB auf 156 Milliarden Euro. Diese Summe müsse bis 2032 in Klima, Infrastruktur, Wohnen, Gesundheit und Bildung investiert werden, forderte DGB-Landeschefin Anja Weber am Donnerstag in Düsseldorf. Wenn nichts geschehe, drohe das Vertrauen der Bürger in den Staat zu sinken. Zudem würden Arbeitsplätze gefährdet.
Die Gewerkschafterin kritisierte die Schuldenbremse als "neoliberales Dogma". Die schwarz-grüne Landesregierung müsse die bestehenden Gestaltungsspielräume zur Aufnahme von Schulden stärker nutzen. So sei es beispielsweise rechtlich möglich, "kreditfähige, öffentliche Investitionsgesellschaften zu gründen, die Kredite aufnehmen dürfen und nicht der Schuldenbremse unterliegen".
Kritik am "Sparzwang"
Im Koalitionsvertrag hatte sich Schwarz-Grün 2022 ausdrücklich zur Schuldenbremse bekannt: "Wir werden Haushalte ohne neue Schulden aufstellen, wie es die grundgesetzliche Schuldenbremse samt Ausnahmen für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen als Voraussetzung einer nachhaltigen und generationengerechten Haushaltspolitik vorsieht."
Was das Land bereits investiert
10,6 Milliarden Euro gibt die Landesregierung bereits jedes Jahr für Investitionen in die öffentliche Infrastruktur aus. Das ergibt fortgeschrieben bis 2032 also auch schon eine stolze Milliardensumme. Die 10,6 Milliarden umfassen allerdings alle Investitionen des Landes – also nicht nur die fünf vom DGB genannten Bereiche.
Allein für die fünf Bereiche Klimaschutz, Infrastruktur, Wohnungen, Gesundheit und Bildung wären laut der neuen Studie aber eben pro Jahr 15,7 Milliarden Euro aus dem Landeshaushalt nötig. Eine deutliche Steigerung also. Ohne neue Schulden ließe sich dies kaum finanzieren.
In ihren Gesprächen mit der Landesregierung werde sie "immer auf den Sparzwang verwiesen", sagte DGB-Landeschefin Weber. Es gehe aber um eine politische Entscheidung. Ein Paradigmenwechsel sei notwendig. Sonst drohten dramatische Folgen. Es sei eine "Katastrophe, dass wir keine Schulden machen".
Landesfinanzminister Marcus Optendrenk (CDU) besteht auf Schuldendisziplin. Und auch der grüne Teil der Landesregierung steht der DGB-Idee eher skeptisch gegenüber. Denn zum einen nutzt die Landesregierung schon eigene Betriebe, um geliehenes Geld im Land zu verteilen – zum Beispiel die NRW-Bank. Außerdem hatte sich Wirtschaftsministerin Mona Neubaur erst am Mittwoch ablehnend geäußert gegenüber dem Oppositions-Vorschlag, einen Extra-Investitionsfonds zu gründen. So etwas sei "finanziell aktuell nicht umsetzbar", so die Grünen-Politikerin.
Mitautor der Studie ist der Ökonom Torsten Windels von der Forschungsgruppe für Strukturwandel und Finanzpolitik. Unter den westdeutschen Flächenländern habe NRW die zweitniedrigste Investitionsquote. Dabei generiere jeder Euro an öffentlichen Investitionen im Schnitt 1,5 Euro an privaten Investitionen. Allein im Wohnungsbereich liege der Investitionsbedarf in NRW in den kommenden zehn Jahren demnach bei 35 Milliarden Euro.
Die SPD im Landtag sieht sich durch die Studie in ihrer Kritik an Schwarz-Grün bestätigt. "Ohne massive Investitionen in unsere Infrastruktur droht NRW den Anschluss zu verlieren", teilte der SPD-Finanzexperte Alexander Baer mit. Die Regierung Wüst dürfe nicht immer nur "mit dem Finger auf Berlin" zeigen.
Unsere Quellen:
- Weber und Windels bei DGB-PK in Düsseldorf
- Studie auf der Internetseite des DGB-NRW
- Baer in Mitteilung der SPD-Landtagsfraktion
Über das Thema berichten wir am 14.09.23 u.a. im Westblick auf WDR 5.