"Nordrhein-Westfalen muss für Jüdinnen und Juden eine sichere Heimat sein. Für dieses Versprechen stehen wir ein." Mit seinem Schlusssatz unterstrich Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) am Ende der Landtagsdebatte am Mittwoch den klaren Willen aller Fraktionen, mehr als bisher gegen den wachsenden Antisemitismus und für einen besseren Schutz jüdischen Lebens hierzulande zu tun.
Alle Fraktionen mit Ausnahme der AfD hatten einen gemeinsamen Antrag eingebracht, neben der Solidarität mit den Jüdinnen und Juden in NRW vor allem Projekte und Initiativen zu stärken, die den Menschen in Israel wie im Gazastreifen helfen und die Bildungsarbeit gerade mit jungen Menschen zum Thema Antisemitismus auszubauen.
Viel Scham über Bilder auf den Straßen NRWs
Viele Fraktionen brachten ihre Erschütterung und Scham zum Ausdruck, was seit dem 7. Oktober vergangenen Jahres auch auf den Straßen NRWs zu beobachten sei: Offener Antisemitismus, Jubel auf Demos über Angriffe auf Israel. "Die Anfeindungen kommen mir näher, als ich je erwartet hätte", berichtete Radion Bakum, SPD-Abgeordneter mit jüdischen Wurzeln, aus seinen persönlichen Gefühlen.
Gegen diesen offenen Antisemitismus will die Landespolitik mehr tun: "Der Nahost-Konflikt darf nicht auf unseren Straßen ausgetragen werden", erklärte CDU-Fraktionschef Thorsten Schick. Seine Amtskollegin Verena Schäffer von den Grünen betonte, stellvertretend für alle Fraktionen: "Das Existenzrecht Israels ist für uns nicht verhandelbar". Sie gedachte auch den Angehörigen der Opfer des Angriffs auf die jüdische Gemeinde in Halle, heute vor fünf Jahren.
Höne: Bisherige Arbeit nicht ausreichend
Neben klaren Bekenntnissen zur Solidarität mit Israel und den in NRW lebenden Juden ging es in der Debatte auch um Konsequenzen aus der Entwicklung, dass antisemitische Taten und Einstellungen zunehmen. Das hatte jüngst eine neue Studie durch die Antisemitismusbeauftragte des Landes, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger deutlich gezeigt.
"Wir müssen feststellen, dass unser bisheriger Kampf gegen Antisemitismus nicht ausgereicht hat. Wir müssen diese Arbeit weiterentwickeln", forderte FDP-Fraktionschef Henning Höne. Es sei beschämend, wenn vor jeder Synagoge Polizisten stehen müssten. "Unser Ziel ist erst erreicht, wenn ein solcher Polizeischutz nicht mehr notwendig ist", betonte Höne. Das Ziel scheine derzeit weit entfernt, aber es lohne sich, dafür zu kämpfen.
AfD-Vertreter Sven Tritschler kritisierte die übrigen Fraktionen, diese würden lediglich "bedeutungsschwere Hinweise" und Sonntagsreden zum Schutz von Juden formulieren. Antisemitismus sei ein inzwischen überwiegend importiertes Problem, wozu die übrigen Parteien durch ihre verfehlte Migrationspolitik beigetragen hätten, so Tritschler.
Schnellere Asylverfahren und mehr Bildungsarbeit
Ministerpräsident Wüst erklärte, dass das Land Asylverfahren beschleunigen wolle. Dafür brauche es mehr Verwaltungsrichter, die mit zusätzlichem Geld im Nachtragshaushalt für dieses Jahr auch schnellstmöglich eingestellt werden sollen.
Außerdem soll die historisch-politische Bildungsarbeit mit Schülerinnen und Schülern ausgebaut werden. "Jede, jeder soll mindestens einmal die Möglichkeit haben, ein Konzentrationslager zu besuchen. Wer einmal dort war, ist häufig ein anderer Mensch", erklärte Wüst.
Die Landesregierung soll durch Beschluss des Landtags nun außerdem eine Antidiskriminierungsstelle einrichten, die dann Betroffene von Alltagsdiskriminierung stärker als bisher unterstützt. Die jüngst vorgestellte Dunkelfeldstudie soll ausgewertet und für "neue Ansätze in der Antisemitismusprävention genutzt werden".
Quellen:
- Debatte im NRW-Landtag
- WDR-Reporter vor Ort