Weltkrebstag: Was bringen Immuntherapien?

Stand: 04.02.2023, 08:09 Uhr

Krebs war bei knapp einem Viertel der Verstorbenen in NRW 2021 die Todesursache. Bei der Behandlung der Erkrankung wird Hoffnung unter anderem in Immuntherapien gesetzt. Zum Weltkrebstag schauen wir auf den Stand der Forschung.

Die Diagnose "Krebs" bedeutet für Betroffene und Angehörige häufig einen schwierigen und langwierigen Weg, der nach wie vor oft mit dem Tod endet. In NRW lag nach Angaben des Statistischen Landesamts im Jahr 2021 der Anteil der Sterbefälle, bei denen Krebs die Todesursache war, bei 23,1 Prozent – also knapp einem Viertel. Laut deutschem Krebsforschungszentrum kann heutzutage mehr als die Hälfte der Krebspatienten auf dauerhafte Heilung hoffen.

Einige Formen der Erkrankung sind lebensbedrohlich, bei anderen hat sich die Prognose in den letzten Jahren deutlich verbessert. Nicht nur die klassischen Verfahren wie Operation, Strahlen- und Chemotherapie gehören zu den Behandlungsmethoden, sondern auch neuere Immuntherapien. Dabei wird das Immunsystem der Patienten auf den Krebs gelenkt. Michael Lange, Wissenschaftsjournalist aus dem Quarks-Team, hat anlässlich des Weltkrebstags (4. Februar 2023) Informationen zum aktuellen Stand der Forschung und der klinischen Praxis zusammengetragen und mit Spezialisten gesprochen.

Was unterscheidet eine Immuntherapie von einer Chemo- oder Strahlentherapie?

Bei einer Immuntherapie ist das körpereigene Immunsystem die Waffe gegen Krebs. Im Gegensatz zum Beispiel zu einer Chemotherapie haben die verabreichten Medikamente nicht das Ziel, unmittelbar gegen den Krebs vorzugehen. Vielmehr sollen sie bewirken, dass die Immunzellen die Tumore erkennen, angreifen und zerstören. Im Idealfall bleiben dabei gesunde Körperzellen intakt.

Wie einfach ist es für das Immunsystem, Tumorzellen zu bekämpfen?

Generell erkennt das Immunsystem des Körpers Fremdstoffe. Das ist bei Krebszellen nicht so einfach wie zum Beispiel bei Bakterien. Denn Krebszellen sind körpereigene Zellen. Sie entstehen aus gesunden Zellen und sind ihnen daher ähnlich. Dennoch gibt es Merkmale auf der Oberfläche der Zellen, an denen die Immunzellen Tumorzellen erkennen können. Das passiert im Körper auch häufig: Viele Krebszellen werden vom Immunsystem bereits vernichtet, bevor überhaupt ein erkennbarer Tumor wachsen kann. Aber Krebszellen haben viele Möglichkeiten, das Immunsystem zu täuschen, Immunzellen zu hemmen oder sich vor den Abwehrzellen zu verstecken. Das Problem: Krebszellen entwickeln Resistenzen gegen Therapien. Das gilt für Chemotherapien, aber auch für moderne Immuntherapien – und das stellt Ärzte und Wissenschaftler weiter vor Herausforderungen.

Was können sogenannte Checkpoint-Inhibitoren bringen?

Es wurden einige Antikörper in Form von Medikamenten entwickelt, um das Immunsystem gezielt im Kampf gegen Krebs zu aktivieren. Ihre Aufgabe ist es, Bremsen des Immunsystems zu lösen. Diese Antikörper bezeichnen Fachleute als "Immun-Checkpoint-Inhibitoren“ Sie richten sich gegen körpereigene "Bremsen“ im Immunsystem. Sie lösen die Bremsen, schützen sie und verhindern so eine Unterdrückung der Immunantwort durch die Tumorzellen. Sechs derartige Medikamente sind in den USA und Europa zugelassen.

Können auch Antikörper gegen Krebs helfen?

Statt das körpereigene Immunsystem auf den Krebs zu lenken, können Betroffene auch "vorproduzierte" Antikörper gegen typische Merkmale der Krebszellen als Medikament erhalten. Diese lösen mit ihrer Bindung an die Tumorzellen unter anderem auch eine gewisse Immunreaktion aus. Die Hauptwirkung vieler solcher Antikörper besteht aber darin, dass sie gezielt in Abläufe eingreifen, die für Wachstum oder Stoffwechsel von Tumorzellen wichtig sind. Solche Behandlungsverfahren zählen daher zu den sogenannten zielgerichteten Therapien, die einen wachsenden Stellenwert in der Krebsbehandlung haben.

Was verbirgt sich hinter der CAR-T-Zelltherapie?

Die CAR-T-Zelltherapie ist eine individuell auf den Patienten zugeschnittene Behandlungsform, welche mit einem gentechnisch modifizierten T-Zellrezeptor (CAR) die Fähigkeit menschlicher T-Zellen zur Erkennung und Eliminierung von Tumorzellen verstärkt. Es ist eine Immuntherapie, bei der T-Lymphozyten (kurz T-Zellen) eines Patienten im Labor gentechnisch so verändert werden, dass sie spezielle Oberflächenproteine auf den Krebszellen erkennen. Nach dieser Veränderung werden sie zurück in den Blutkreislauf des Patienten gegeben. Dort erkennen sie die Krebszellen und vernichten sie. Zwei CAR-T-Zelltherapien wurden 2018 in den USA und in der EU zugelassen. Mit der Therapie ist eine Behandlung von akuter lymphatischer Leukämie bei Kindern und jungen Erwachsenen und zur Behandlung erwachsener Lymphom-Patienten möglich.

"Die CAR-T-Zelltherapie ist eine innovative zelluläre Immuntherapie, deren Anwendung nur in spezialisierten Zentren erfolgen kann“, sagt Prof. Peter Borchmann von der Uniklinik Köln.

Lassen sich denn alle Krebsformen mit Immuntherapien bekämpfen?

Nein. Zu den besonders gefährlichen und schlecht behandelbaren Formen gehört beispielsweise der Bauchspeicheldrüsenkrebs. Weniger als zehn Prozent der Betroffenen überleben länger als fünf Jahre nach der Diagnose. Forscherteams in Deutschland und den USA arbeiten deshalb an Kombinations-Immuntherapien gegen die Krebsform, die Checkpoint-Inhibitoren mit CAR-T-Zelltherapien verknüpfen. Kürzlich berichteten sie in Fachzeitschriften über erste Erfolge in Zellkulturen und im Tierversuch. Der Weg zu einer Therapie ist aber noch weit.

Wann kommt die Impfung gegen Krebs?

In absehbarer Zeit wohl eher nicht. Ärzte und Wissenschaftler testen derzeit verschiedene Strategien. Besondere Hoffnungen richten sich auf eine Krebs-Impfung mit mRNA. Das Botenmolekül trägt die Information für eine Erkennungsstruktur auf den Krebszellen. Nach einer Impfung mit mRNA produziert der Körper des Patienten die Erkennungsstruktur. Das Immunsystem lernt, sie als Feind kennen und bekämpft sie. Biotechnologiefirmen wie BioNTech, die mit mRNA für COVID-Impfungen viel Geld verdient haben, wollen dieses Konzept gegen Krebs in klinischen Studien testen – aber erst in den nächsten Jahren.