Kommunalpolitiker - wer tut sich das überhaupt noch an?

Stand: 10.09.2020, 12:00 Uhr

Hass und Hetze gegen Kommunalpolitiker haben in der Vergangenheit zugenommen. Warum engagieren sich trotzdem Menschen ehrenamtlich in der Kommunalpolitik?

Kenan Yildiz steht am Wahlkampfstand im Zentrum von Bochum. Er verteilt Flyer, auf denen ein Kugelschreiber gesteckt ist. Viele Passanten gehen an ihm vorbei.

Mit einigen kommt er ins Gespräch. Es beginnt eine Diskussion um das Wahlprogramm der CDU, für die er in den Stadtrat will. Das sind die guten Momente im Wahlkampf.

Die anderen, bitteren Momente

Aber es gibt auch die anderen, bitteren Momente: Als er vor kurzem seine Wahlplakate aufhängen wollte, wird er als "Eselficker und Kümmeltürke" beschimpft. Leise, aber dennoch hörbar.

Yildiz ist nachdenklich geworden: "Ich war in dem Moment geschockt und wusste auch nicht, wie ich reagieren sollte."

Anfeindungen sind kein Einzelfall

Beschimpfungen, Anfeindungen bis hin zu körperlichen Bedrohungen gegen Kommunalpolitiker sind kein Einzelfall: 2019 gab es in Deutschland 1.674 politisch motivierte Straftaten gegen Amtsträger. 433 mehr als noch im Vorjahr.

Nach einer repräsentativen Umfrage des Magazins "kommunal" vom Februar diesen Jahres sind 64 Prozent der deutschen Bürgermeister schon einmal beschimpft, bedroht oder tatsächlich angegriffen worden.

"Der Ton ist rauer geworden"

"Der Ton ist rauer geworden", sagt Dr. David Gehne von der Ruhruniversität Bochum. Ein Grund hierfür sieht er in der wachsenden Distanz zwischen Menschen und Politik.

"Wenn das ein Bruder von einem Freund wäre, dann würde ich ihn nicht so behandeln", erläutert der Regionalforscher. Durch schrumpfende Mitgliederzahlen der Parteien hätten die Menschen immer häufiger keinen direkten Bezug mehr zur Kommunalpolitik.

Fehlende Bereitschaft macht Sorgen

Die fehlende Bereitschaft, sich für Kommunalpolitik zu engagieren, bereitet auch Joachim Drossert von der SPD Sorgen. Er verteilt in Jüchen bei Mönchengladbach seine Flyer für die Wahl in den Stadtrat.

Bürgermeister will er mit 65 Jahren aber nicht mehr werden. Auch keiner seiner Kollegen: "Das Bürgermeister-Amt ist mit viel Arbeit verbunden. Viele junge Menschen wollen erstmal in ihrem Beruf nach vorne kommen."

Respektvoll um die besten Lösungen ringen

Aufgeben ist für Joachim Drossert und Kenan Yildiz allerdings keine Option. Im Gegenteil: Sie wollen auch in Zukunft im Miteinander gestalten, respektvoll um die besten Lösungen für ihre Stadt ringen.

"Ich will mich weiter mit den Menschen austauschen, das gefällt mit besonders an Kommunalpolitik", sagt Yildiz. Und dann ist er schon wieder mitten im nächsten Gespräch an seinem Wahlstand in der Bochumer Innenstadt.

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