Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat am Montag die Hannover Messe eröffnet. Im Mittelpunkt steht vor allem das Thema "Künstliche Intelligenz" (KI). KI und maschinelles Lernen sollen helfen, die Fertigungsprozesse im Maschinenbau zu verbessern. Auch Energiesparen soll durch KI einfacher werden.
Doch dass der Einsatz von KI gut überwacht und kontrolliert werden muss, zeigt sich bereits im relativ frühen Stadium, in dem sich die Technik befindet - auch auf der Hannover Messe. So präsentiert das Fraunhofer-Institut verschiedene Werkzeuge, mit denen die Technik auf Schwachstellen untersucht wird und die helfen sollen, sich gegen KI-Risiken abzusichern.
Medizin und autonomes Fahren: KI im Einsatz
Beispiele, die genannt werden, sind die KI-Anwendungen im medizinischen Bereich, mit der zum Beispiel CT-Bilder analysiert werden im Hinblick auf Tumore. Und auch beim autonomen Fahren geht es den Forschern darum, dass das System seine eigenen Entscheidungen hinterfragt: Wie sicher ist sich die KI mit ihrem Ergebnis, wenn sie etwa Hindernisse, Objekte und Menschen erkennt? Welche Absicherungsmechanismen müssen gegebenfalls bereit stehen? Das leicht wolkige Ziel der Forscher laut der Messe-Betreiber: Die KI soll eine Art "Ethik-Nachhilfe" erhalten.
KI soll "zuverlässig und sicher" sein
Microsofts Deutschland-Chefin Marianne Janik sieht in der KI eine "historische Chance". Sie forderte zum Auftakt der Hannover Messe die Menschen und Unternehmen in Deutschland dazu auf, Künstliche Intelligenz stärker zu nutzen.
"Künstliche Intelligenz kann eine enorme Schubkraft für Deutschland entwickeln, gerade in Kernbereichen wie in der klassischen Industrie, wo ja über Jahre hinweg die Dinge nicht wirklich vorangegangen sind", so Janik am Montag. Die Technologie könne dabei helfen, Innovationsprozesse zu beschleunigen.
Janik zeigte gleichzeitig aber auch Verständnis für Forderungen, die Entwicklung der KI nicht überhastet voranzutreiben. Microsoft mache sich viele Gedanken, welchen ethischen Prinzipien die Künstliche Intelligenz folgen sollte, sagte die Managerin.
"KI muss fair sein, darf also niemanden benachteiligen. Diese Systeme müssen aber auch zuverlässig und sicher sein." Dafür will Janik zusammen mit der Politik und der Wissenschaft an Regeln für einen verantwortungsvollen Einsatz und Umgang mit der KI arbeiten, sagte Janik in der "Aktuellen Stunde".
Forscher und Unternehmer wie Elon Musk fordern Entwicklungs-Stopp
Ende März hatten zahlreiche Forscher und Unternehmer in einem offenen Brief ein mindestens sechsmonatiges Moratorium bei der Entwicklung sehr fortschrittlicher KI-Systeme gefordert. Auch Tesla-Chef Elon Musk und der Apple-Mitbegründer Steve Wozniak waren unter den Unterzeichnenden. Durch den Entwicklungs-Stopp solle die Branche Zeit bekommen, Sicherheitsstandards für die Entwicklung von KI festzulegen und mögliche Schäden durch die riskantesten KI-Technologien abzuwenden.
Papst in der Daunenjacke wohl nur der Anfang
Das gefakte Bild des Papstes in einer protzigen Daunenjacke, das vor ein paar Wochen um die Welt ging, oder der angebliche gemeinsame Song der Rapper Drake und The Weeknd, der am Wochenende viral ging und der von einer KI erstellt wurde: Das alles sind wohl nur die Anfänge und zudem eher harmlosere Beispiele.
Viele Expertinnen und Experten warnen vor einer Flut von Propaganda und Fake News, der Vernichtung vieler Arbeitsplätze und einem generellen Kontrollverlust. Zugleich fordern sie eine stärkere Regulierung. Tech-Experten weltweit haben deswegen einen offenen Brief unterschrieben, in dem sie eine Entwicklungspause fordern. Unter ihnen ist der Aachener KI-Forscher Holger Hoos und warnt vor einer starken Abhängigkeit der heimischen Industrie von Unternehmen außerhalb Europas in den nächsten Jahren.
Gleichzeitig sei klar, dass KI-Systeme verstärkt in der Medizin, in Fahrzeugen oder anderen sicherheitskritischen Bereichen eingesetzt würden, wo Fehlfunktionen fatale Folgen hätten, sagt Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands. In diesen Bereichen seien rechtliche Leitplanken nötig: "Das schafft Vertrauen und fördert innovative Angebote, statt sie auszubremsen."
Esken will "Kennzeichungspflicht" für Originalinhalte
Wie genau diese rechtlichen Leitplanken aussehen können, ist unklar. SPD-Chefin Saskia Esken brachte am Wochenende in der ARD eine "Kennzeichungspflicht" für Originalinhalte ins Spiel. Von Menschen gemachte Inhalte wie Texte, Bilder und Videos sollten eine Art "digitales Wasserzeichen" erhalten. Künstlich erzeugte Inhalte könne man entsprechend am fehlenden Wasserzeichen erkennen. Digitalminister Volker Wissing (FDP) forderte in der ARD "europäische Regulierungssysteme".
Tatsächlich berät die EU seit 2021 über ein Gesetz zur Künstlichen Intelligenz, das bis 2025 in Kraft treten soll. Darin sollen bei der KI verschiedene Anwendungsbereiche und Risikoklassen unterschieden werden. So sollen ethisch bedenkliche Systeme wie etwa "Social Scoring", gänzlich verboten werden. Laut der Völkerrechtlerin Silja Vöneky von der Universität Freiburg erfasst der derzeit vorliegende Gesetzesentwurf jedoch "nicht hinreichend die Risiken von generativer KI" - gemeint sind dabei KI-Systeme wie ChatGPT.
Wegen Datenschutz: Italien hat ChatGPT vorerst blockiert
Zudem scheint man von einer gemeinsamen Linie innerhalb der EU derzeit noch weit entfernt. So haben italienische Behörden Anfang April die Nutzung der KI-Software ChatGPT aufgrund von Datenschutzbedenken vorläufig blockiert. Digitalminister Wissing kritisierte die dortige Sperre: "Wenn alle Staaten in Europa diesem Vorbild folgen, werden bei uns keine KI-Anwendungen entwickelt. Dann werden wir uns in Zukunft nur noch mit chinesischen und amerikanischen Systemen auseinandersetzen müssen."
An Unis und Schulen kommt KI längst zum Einsatz
Der Ökonom Jens Südekum mahnte im ZDF zur Eile. Man solle nach Möglichkeit eine Regulierung einführen, "bevor die Welle ins Rollen kommt." Tatsächlich baut sich die Welle an den Schulen und Universäten längst auf, KI-Programme wie ChatGPT kommen dort immer mehr zum Einsatz. "Die Qualität reicht für ganze Hausarbeit an der Uni nicht aus, aber um sich schnell einen Überblick zu einer Thematik zu verschaffen und auch zur Quellensuche finde ich sie super! Und eine kurzfristige Referatvorbereitung hat sie für mich schon gerettet" - so das Feedback einer Hörerin des WDR-Morgenpodcasts "0630".
Eine andere Hörerin zeigte sich "geschockt" darüber, dass bei speziellen Fragen an das Programm im Zusammenhang mit einer Masterarbeit tatsächlich "halbwegs gute Antworten" herauskamen. Sie will Lehrerin werden und fragt sich, "wie sich diese KI in den nächsten Jahren weiterentwickeln wird und inwiefern SchülerInnen diese dann für schritfliche Aufgaben nutzen können und werden".