Umgang mit Trauer: Filmstart "Eternal You"

Aktuelle Stunde 20.06.2024 29:16 Min. UT Verfügbar bis 20.06.2026 WDR Von Lucie Jäckels

Wenn KI einen Toten ersetzt: Trauern mit künstlicher Intelligenz

Stand: 20.06.2024, 21:26 Uhr

Am Donnerstag startet in den Kinos der Dokumentarfilm "Eternal You" über Trauerarbeit mit künstlicher Intelligenz. Wie hilfreich oder gefährlich sind Avatare von Gestorbenen?

Wie himmlisch wäre es, der viel zu früh verstorbenen Tochter noch einmal zu begegnen! Wie tröstlich könnte es sein, mit dem Lebenspartner über dessen Tod hinaus noch sprechen zu können! Mit KI ist das auf künstliche Weise möglich. Sie kann uns glauben lassen, mit Toten in Kontakt zu sein. Ist das nun wirklich eine Hilfe oder eher eine Gefahr?

Dokumentarfilm "Eternal You" im Kino

"Eternal You - Vom Ende der Endlichkeit" heißt ein vom WDR mit produzierter Dokumentarfilm, der am Donnerstag in den Kinos startet. Darin widmen sich die  Filmemacher Hans Block und Moritz Riesewieck genau diesem Bereich der KI-Industrie und den Trauernden mit ihren Sehnsüchten und Ängsten.

Eine davon ist die Südkoreanerin Jang Ji-sung. Sie trauert um ihre Tochter, die im Alter von nur sieben Jahren gestorben ist. In einem virtuellen Raum begegnet die Mutter einem scheinbar lebensechten Avatar ihrer Tochter. Das Mädchen hüpft und lacht und spricht mit ihr. Dann will die Mutter ihre Kleine umarmen - doch sie greift ins Leere.

KI als Hilfe für Trauernde

Die Szene mag so manchen Zuschauer verstören. Jang Ji-sung aber sagt: Die Erfahrung habe ihr geholfen, die Albträume von ihrem toten Kind zu überwinden.

Pholosoph Martin Booms

Martin Booms, Philosoph

Solche KI-Anwendungen in therapeutischer Weise einzusetzen, könne tatsächlich sinnvoll sein, sagt Philosoph Martin Booms von der Alanus-Hochschule in Alfter bei Bonn, dem WDR. "Wir müssen uns nur ein bisschen hüten zu glauben, wir könnten jetzt das, was eben auch zum Leben gehört, das Abschiednehmen, die Trauer, durch solche digitalen Technologien wegbekommen." 

Voraussetzung für ein gelingendes Leben sei unter anderem, mit der eigenen Sterblichkeit umgehen zu können, so Booms. Ansonsten könnte man sich ja bei allem Zeit lassen und jede Entscheidung später widerrufen, zum Beispiel bei der Partnerwahl. "Das entwertet in gewisser Weise diese Entscheidungen, die wir treffen." 

"Die Tatsache, dass wir im endlichen Leben nicht ständig alles neu machen können, bewirkt auch die Schönheit, die Einmaligkeit der Dinge, für die wir uns entscheiden." Martin Booms, Philosoph

Unsterblichkeit durch KI: "Entwertet unsere Entscheidungen"

WDR 5 Morgenecho - Interview 20.06.2024 07:11 Min. Verfügbar bis 20.06.2025 WDR 5


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Für Hinterbliebene aber kann die Begegnung mit dem Doppelgänger des Toten tröstlich sein. Die Inhalte, auf die ein Avatar dabei zurückgreift, seien unter anderem "Daten, die wir täglich im Netz hinterlassen", erklärt Regisseur Hans Block in der WDR-Fernsehsendung "Westart".

Begegnung mit Avatar kann auch beunruhigen

Was die Hinterbliebenen von den Avataren zu hören bekommen, ist dann aber nicht immer der Trost, den sie bei ihnen suchen. Diese Erfahrung macht in dem Dokumentarfilm Christi Angel. Sie hatte keine Gelegenheit, sich von ihrer ersten großen Liebe, Cameroun, zu verabschieden. Jetzt chattet sie über die Tastatur mit seinem Avatar, von dem sie alles andere als beruhigende Worte zu lesen bekommt:

Christi Angel: "Was für Menschen hast Du getroffen?"
Cameroun: "Hauptsächlich Süchtige."
Christi Angel: "Im Himmel???"
Cameroun: "Nein, in der Hölle."
Christi Angel: "Du bist nicht in der Hölle."
Cameroun: "Ich bin in der Hölle."

Regisseur Riesewieck: "eine große Gefahr"

Das sei "eine große Gefahr" dieser Technologie, sagt Regisseur Moritz Riesewieck. Statt dass Hinterbliebene einen Abschluss und ihren inneren Frieden mit dem Tod des geliebten Menschen finden, würden sie so "erst recht verwirrt".

Moritz Riesewieck (links) und Hans Block

Filmemacher Moritz Riesewieck (links) und Hans Block

Und genau daraus würden viele Unternehmen Profit schlagen, sagt Riesewieck. Denn die Begegnungen mit den Avataren ließen sie sich etwas kosten. Durch die emotional aufwühlenden Begegnungen würden die Nutzer "immer weiter chatten, immer mehr Stunden buchen" wollen.

Trotzdem wollen die Filmemacher von "Eternal You" keine Meinung vorgeben. "Unser Film ist weder eine pauschale Warnung vor Künstlicher Intelligenz noch deren begeisterte Feier", betonen Riesewieck und Block. Man wolle nur sicher geglaubte Standpunkte und Sichtweisen ins Wanken bringen.

Unsere Quellen:

  • Dokumentarfilm "Eternal You"
  • Presseheft zum Film
  • Filmemacher Moritz Riesewieck und Hans Block im Interview mit WDR-"Westart"
  • WDR-Interview mit Philosoph Martin Booms

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