Junge Frau mit Kopfhörern

Warum Hörbücher so beliebt sind - und wo wir sie am liebsten hören

Stand: 18.03.2025, 17:04 Uhr

Ob beim Bügeln oder in der Bahn: Hörbücher werden immer beliebter. Wo hören wir sie am liebsten? Und lenkt das nicht ab?

Von Victor Fritzen

In Köln wird am Dienstagabend der Deutsche Hörbuchpreis verliehen. WDR 5 und die ARD Audiothek übertragen die Veranstaltung ab 20 Uhr als Live-Radio-Show. 21 Produktionen sind nominiert. Sie stehen stellvertretend für ein Genre, das immer beliebter wird.

2023 kauften 3,4 Millionen Kunden digitale Hörbücher (2018: 1,8 Millionen) - so viele wie noch nie. Tendenz steigend. Fast die Hälfte waren Downloads, 41 Prozent Streaming. Der Rest waren klassische Hörbücher auf CD. Besonders beliebt: Krimis und Thriller.

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Die Gründe dafür sind vielfältig: Es geht um Unterhaltung, Entspannung, aber auch Bildung und Ablenkung. Und: Hörbücher oder Podcasts "stehen ständig zur Verfügung und sind einfach praktisch. Früher brauchte man eine CD und einen CD-Spieler, um ein Hörbuch zu hören. Jetzt reicht das Handy, was man sowieso immer dabei hat", sagt Daniela Schlütz, Professorin für Digitale Medienkultur. Alles, was man mobil nutzen könne, werde eben beliebter. "Dadurch und durch die ständige Verfügbarkeit kann man auch kleine Zeitintervalle füllen."

Hörbuch hören und multitasken

Mann putzt mit Kopfhörern
Putzen und nebenbei ein Hörbuch hören | Bildquelle: IMAGO/Aida López

Wann wir wo Hörbücher, Hörspiele oder Podcasts hören, ist sehr unterschiedlich. Audible hat im vergangenen Jahr mehr als 1.000 Menschen zwischen 18 und 65 Jahren befragen lassen. Die meisten (69 Prozent) lassen sich Zuhause berieseln, vor allem bei der Hausarbeit, beim Kochen oder im Garten. Fast die Hälfte schaltet Hörbücher, Hörspiele oder Podcasts in der Bahn, im Auto oder bei Spaziergängen ein. Aber lenkt das nicht ab?

Das kommt auf die Aufgabe an, sagt Axel Buchner. Er ist Professor für Allgemeine Psychologie und Arbeitspsychologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und sagt: "Solange die Modalitäten, über die wir Informationen aufnehmen, verschieden sind, also wir etwa eine Sache auditiv verarbeiten und eine andere Sache visuell, geht das oft ganz gut."

Hörbuch hören beim Bügeln ist kein Problem

Axel Buchner, Professor für Psychologie | Bildquelle: Axel Buchner

Bügeln (visuell) und gleichzeitig Hörbücher hören (auditiv) ist also kein Problem, weil beides unterschiedliche Bereiche des Gehirns beansprucht. "Sobald wir aber einer Geschichte gebannt lauschen und jemand versucht, mit uns zu sprechen, wird’s schwierig. Das Gehirn kann die beiden auditiven Informationsströme kaum gleichzeitig verarbeiten", sagt Axel Buchner.

Hörbuch hören liegt im Trend | Bildquelle: picture alliance / Iordache Magdalena/Shotshop

Es gibt aber auch Grenzen dafür, was ein Mensch an visueller und auditiver Information gleichzeitig verarbeiten kann. Alle Infos, die auf uns einprasseln, müssen nämlich noch durch eine Art kognitiven Flaschenhals. "Und wenn da zu viel gleichzeitig auf uns einströmt, stören die Informationen einander, auch wenn die Modalitäten verschieden sind", erklärt Buchner. Und das kann zu Stress führen.

Hörbuch beim Autofahren kann Stress verursachen

Noch ein Beispiel: Fährt jemand entspannt Auto und hört dabei gemächlich ein Hörbuch, ist das kein Problem. Sobald aber plötzlich die Ampel auf Rot springt oder ein Ball vors Auto rollt, kann das zu viel werden. "Je weniger vorhersehbar die Situation ist und je mehr Informationen auf uns einprasseln, desto schwieriger wird die Verarbeitung."

Daniela Schlütz, Professorin für Digitale Medienkultur | Bildquelle: Prof. Dr. habil. Daniela Schlütz

"Unser kognitiver Apparat ist endlich, um Dinge aufzunehmen, zu filtern und zu speichern", sagt auch Daniela Schlütz, Professorin für Digitale Medienkultur. Sie hat dazu ein Online-Experiment mit Podcast-Hörerinnen und Hörern gemacht. Sie hörten jeweils ein Hörbuch und mussten gleichzeitig ein Computerspiel lösen. Am Ende wurden sie gefragt, was sie aus dem Hörbuch noch wussten. "Je schwieriger die Aufgaben im Spiel waren, desto weniger haben sie von der Geschichte behalten", sagt die Professorin.

Hörbücher zum Einschlafen

Jeder Dritte hört Hörbücher übrigens zum Einschlafen. Das funktioniert hervorragend, kommt aber auf den Inhalt an, so Schlütz.

Ist die Geschichte mega spannend, schlafe ich davon nicht ein. Kenne ich die Geschichte aber und lullt sie mich ein, klappt das sehr gut. Prof. Daniela Schlütz

Sie selbst höre beispielsweise nur Geschichten von Büchern, die sie selbst auch gelesen habe. Sie kenne aber auch viele, die Geschichten aus ihrer Kindheit hörten – Bibi und Tina oder Harry Potter beispielsweise. "Das kann einen sehr behaglichen Zustand hervorrufen." Und uns sanft entschlummern lassen.

Wir hatten euch gefragt: Welche Hörbücher ihr am liebsten hört und in welchen Situationen? Wir haben viele Rückmeldungen über unseren Whatsapp-Kanal und per Mail bekommen. Stefan Thuer zum Beispiel hört seit seiner Jugend "Die drei ???". Und auch bei TKKG "kann ich gut abschalten oder den Haushalt machen".

Simone Sommer hört am liebsten Krimis und Thriller - unter anderem beim Autofahren. Allerdings "überwiegend auf Strecken, die ich kenne und wo mir der Weg bekannt ist". Bei längeren Strecken "nehme ich lieber eine Geschichte, die ich kenne, oder leise Musik".

"Ich höre am liebsten Hörbücher, wenn das kleine Kind in mir Sehnsucht hat oder ich mit Grippe im Bett liege. Da ich alleine lebe, ist das Gefühl der Einsamkeit weg und es ist ein liebevolles Geschenk an mich, das 65-jährige Kind, das ohne Bücher und Liebe aufwuchs. Einfach schön. Danke, dass es Hörbücher gibt." Silvia Janisch

Ulla Rinke strickt gerne Socken für Familienmitglieder und Freunde. "Das geht nur mit Hörbüchern. Sockenstricken und Hörbücher gehören unauflösbar zusammen."

Olaf Thormählen hört aktuelle Hörbücher (SciFi / Krimi) auf dem Weg zur Arbeit und nach Hause im ÖPNV. Abends zum Entspannen gibt's dann meistens etwas Lustiges - entweder als Sachbuch oder auch mal eine Kinder-Serie (z.b. "Ghostsitter").

Und zum Einschlafen "immer etwas, das ich schon kenne: immer wieder die "Rivers Of London"-Reihe (im Moment circa 10 Bücher), weil sie von Kobna Holdbrook-Smith grandios gelesen wird und ich die Stimme liebe". 

Auch Ulla Janisch wählt ihre Hörbücher mitunter nach dem Sprecher oder der Sprecherin aus. Denn: "Nicht jede Stimme ist angenehm und leider manchmal auch ohne Betonung und Akzente."

Alexandra Boisen mag dagegen lieber Hörspiele als Hörbücher. "Die sind oft gekürzt und nicht jeder Sprecher passt oder gefällt mir." Für Regina Kumor aus Kamen kommen Hörbücher gar nicht in Frage, "sondern immer noch ein gedrucktes Buch".

Unsere Quellen:

Über dieses Thema berichten wir am 18.03.2025 von 20 bis 22 Uhr auch im Radio: WDR 5 Spezial.