Björn Höcke vor Gericht Aktuelle Stunde 18.04.2024 35:28 Min. UT Verfügbar bis 18.04.2026 WDR Von Anna Deschke

Prozess gegen Höcke: Wie Rechtsextreme NS-Parolen einsetzen

Stand: 18.04.2024, 11:09 Uhr

Der Thüringer AfD-Vorsitzende Höcke steht seit Donnerstag vor Gericht. Im Prozess geht es um die Verwendung einer verbotenen Parole aus der NS-Zeit. Für Philologin Heidrun Kämper sind sprachliche Grenzüberschreitungen bei der AfD nicht überraschend.

Thüringens AfD-Chef Björn Höcke steht seit Donnerstag in Halle vor Gericht. Ihm wird vorgeworfen, in einer Rede Nazi-Vokabular verwendet zu haben - und zwar eine verbotene Losung der Sturmabteilung (SA), der paramilitärischen Kampforganisation der NSDAP. Konkret geht es um die SA-Parole "Alles für Deutschland".

Bei der Landtagswahl am 1. September will Höcke als Spitzenkandidat der AfD Thüringen antreten. Dieser Landesverband wird vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft und beobachtet.

Zuletzt hatte der frühere Geschichtslehrer erklärt, er habe nicht gewusst, worum es sich bei der Losung handele. Ein Umstand, den die Philologin und Politologin Heidrun Kämper dem Politiker nicht abnimmt, wie sie im WDR-Interview erklärt.

Politologin: Sprachlicher Nationalsozialismus

Sprachwissenschaftlerin Heidrun Kämper | Bildquelle: privat/Heidrun Kämper

"Ich bin ganz sicher, dass er den Ursprung kennt, dass er auch weiß, dass das eine verbotene Formel ist. Er spielt ja jetzt nicht nur in diesem Fall mit dem nationalsozialistischen Sprachgut. Das tut er auch in anderen Zusammenhängen, wo man ihn tatsächlich juristisch nicht greifen kann", sagt Kämper gegenüber dem WDR.

Kämper forscht und lehrt seit Jahrzehnten, wie Sprache die Realität prägen kann. Und sie weiß auch, wie die AfD dieses Instrument für die politische Debatte nutzt. "Aus den Reden Höckes weht einem sprachlich der Nationalsozialismus entgegen."

Überrascht ist die Sprachwissenschaftlerin deshalb auch nicht, dass Höcke diese Formel benutzt. "Die Tatsache, dass hier gar keine Scheu besteht, sich in die Nähe des Nationalsozialismus zu begeben, ist ja auch ein Inhalt. Wenn Höcke als Faschist bezeichnet werden kann, wenn die Richtung, die er in der AfD vertritt, als völkisch, rassistisch, nationalistisch bezeichnet wird, dann hat das ja ganz viel mit dem Ursprung dieser Ideologie im Nationalsozialismus zu tun", sagt sie.

"Wir nennen es Hundepfeifen-Strategie"

Höcke spreche mit solchen Formulierungen seine Wählerschaft an. In der Linguistik habe man sogar einen Ausdruck dafür, der das beschreibe. "Wir nennen es Hundepfeifen-Strategie. Das ist eine Strategie: Die Eingeweihten wissen was gemeint ist. An der sprachlichen Oberfläche und wenn man das hört, versteht man aber etwas anderes."

Heidrun Kämper war Leiterin des Arbeitsbereichs "Sprachliche Umbrüche" am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim und Autorin der Studie "AfD im Parlament – neue Sprach- und Kommunikationsstile". Sie ist auch SPD-Mitglied und als stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion im Stadtrat in Mannheim aktiv.

Häufiger Ermittlungen gegen Höcke

Höcke wird sich nicht nur in Halle einem Prozess stellen müssen. Auch am Landgericht Mühlhausen in Thüringen wurde eine Anklage zugelassen - dort geht es um den Vorwurf der Volksverhetzung. Ermittlungen gab es gegen Höcke schon häufiger.

Demonstranten vor dem Gericht in Halle | Bildquelle: IMAGO

Bis zu einer möglichen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung. Sollte das Gericht die Vorwürfe als erwiesen ansehen, reicht laut einer Gerichtssprecherin der Strafrahmen von einer Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Zum Auftakt des Prozesses hatten sich in Halle auch Demonstranten vor dem Gericht versammelt. "AfD stoppen" oder "Björn Höcke ist ein Nazi" stand auf ihren Plakaten.

Unsere Quellen:

  • Interview mit Sprachwissenschaftlerin Heidrun Kämper
  • Nachrichtenagentur DPA

Über dieses Thema berichtet der WDR am 18.4.2024 auch im Fernsehen, in der Aktuellen Stunde um 18.45 Uhr.